Der Zwilling – ein Vorstellungsbild für deine Aufrichtung beim Sprechen

von | Feb 24, 2024 | Stimme | 0 Kommentare

Eine aufgerichtete Haltung hilft dir beim Sprechen. Sie gibt deinem Atem den Raum, den er braucht, reduziert ungünstige Spannungen im Körper und lässt dich präsenter wirken.

Den „Zwilling“ habe ich vor Kurzen in einer Fortbildung kennengelernt: „Integrative Körperarbeit auf der Basis des Body Mind Centering“ bei Regina Biermann. Es ist ein super Tool, das ich immer wieder im Alltag einsetze, um mich zu erden und gleichzeitig locker aufzurichten. Auch beim Sprechen im Homestudio hat es mir schon gute Dienste geleistet. 🙂

Aufrichtung ist eine Reise

Wie richte ich mich noch mehr auf? Stehe ich nicht schon aufrecht? Ich sag mal so – natürlich kann ich das nicht beurteilen, ohne dich zu kennen. Aber die Haltung, die uns vertraut ist, ist in der Regel auch die, die sich richtig anfühlt. Es kann also durchaus sein, dass ein Mensch das Gefühl hat, „ich bin super aufgerichtet“, wenn eigentlich noch Luft nach oben ist.

Bei mir war das so. Die Jahre meines Studiums und kurz danach, in denen ich viel am Schreibtisch gearbeitet habe, haben ihre Spuren hinterlassen, ohne dass es mir so richtig bewusst war. Was ich aber gemerkt habe, war: Nach dem Yoga fühlte ich mich größer, länger, aufgerichteter als zuvor. Das Stehen war leichter, während mir im Alltag schnell irgendwas wehtat bei längerem Stehen.

Das waren die ersten Hinweise. Sie haben mich auf eine Reise geschickt, auf der ich immer noch bin. Ab und zu will ich dir von meinen Erkenntnissen berichten. Bitte bedenke aber, dass so eine einzelne Erkenntnis oder ein Tipp nicht die ganze Reise ist. Es ist immer nur ein kleiner Ausschnitt.

Aber wenn du auch auf so einer Reise bist – ganz besonders, wenn du mit deinem Sprechen und deiner Stimme wirken willst – dann kann es dir vielleicht eine Inspiration sein.

Der Zwilling

Der Zwilling ist ein Vorstellungsbild, das dir dabei helfen kann, dich gleichzeitig zu erden und aufzurichten.

Und so geht´s:

  • Beginne im Stehen.
  • Wenn du magst, schließ die Augen.
  • Stell dir bitte folgendes vor: Unter dir ist ein zweites Du, aber gespiegelt. Eure Füße berühren sich. Du wächst nach oben und dein Zwilling nach unten. So, als würdest du mit den Fußsohlen auf einem großen Spiegel stehen.
  • Spür mal in deine Füße, was diese Vorstellung mit ihnen macht. Unter dir ist eine weiche, warme, lebendige Fußsohle. Ihr seid im Kontakt, und jede deiner Bewegungen wird von deinem Zwilling erwidert.
  • Fang an, dein Gewicht zu verlagern. Dort, wo du mehr Gewicht hinschickst, schickt auch dein Zwilling Gewicht hin. So bleibt ihr immer im Gleichgewicht.
  • Wenn du die Augen zu hattest, mach sie an dieser Stelle ruhig auf, denn gleich fangen wir an, durch den Raum zu gehen.
  • Mach einen Schritt nach vorne. Wenn du deinen Fuß hebst, hebt dein Zwilling auch seinen Fuß. Beim Absetzen treffen sich eure Füße wieder.
  • Fang an, dich mit diesem Bild ganz frei durch den Raum zu bewegen.
  • Irgendwann kommst du zur Ruhe, spürst nochmal den Kontakt zu deinem Zwilling unter dir und lässt ihn gehen.

Was beim Zwilling passiert…

…kann individuell unterschiedlich sein. Probier es also ruhig aus, und spür, was das Bild in dir auslöst. Welche feinen Reaktionen und Veränderungen kannst du wahrnehmen?

Bei mir war das erste, was ich gespürt habe, dass meine Füße „aufgewacht“ sind. Sie haben plötzlich aufmerksam nach unten gespürt und geforscht und waren dadurch aktiver. Das kommt auch den feinen Ausgleichsbewegungen, die sich im Stehen machen, um unser Gleichgewicht zu halten, zu Gute.

Über den Kontakt der Füße zu meinem Zwilling fühle ich mich geerdeter. Fest verwurzelt. Und das bewirkt tatsächlich eine stärkere Aufrichtung. Diese Aufrichtung hat aber nichts angestrengtes oder gezwungenes, sondern sie „passiert“. Ich nehme sie als eine Kraft wahr, die aus dem Boden kommt. Und auch als eine Bewegung, die das Gleichgewicht mit meinem Zwilling aufrechterhält.

Durch die Aufrichtung werde ich größer. Meine Schultern können locker nach unten fallen, und mein Kopf schwebt ganz entspannt oben drüber. So fällt es mir auch leicht, entspannt in den Raum um mich herum zu gucken.

Das war die allergrößte Entdeckung für mich: Im Kontakt mit meinem Zwilling fällt es mir leichter, selbstbewusst in die Weite des Raums zu gehen.

Das muss ich vielleicht kurz erklären: Ich habe die Übung in einem Gruppensetting kennengelernt. Das mag ich zwar gerne, aber ich merke auch, dass es mir schwer fällt, mich da so ganz frei durch den Raum zu bewegen. Bevor ich mit jemandem zusammenstoße, bleibe ich lieber in meiner Ecke und konzentriere mich ganz auf mich. Bisher.

Mit meinem Zwilling ging mein Blick plötzlich in die Weite. Ich suchte mir ein Ziel am anderen Ende des Raums und ging da hin. Ganz in Ruhe. Ganz entspannt, ohne Ängste. Wenn jemand anderes meinen Weg kreuzte, war ich neugierig, offen für eine kurze Begegnung, und trotzdem weiter ausgerichtet auf mein Ziel.

Das war ein sehr spannender Moment für mich, denn ich habe gemerkt, dass das Bild des Zwillings mir Sicherheit gibt. Sicherheit, die sich in einem stärkeren Aufgerichtet- und Geerdetsein äußert, aber eben auch in einem anderen Gefühl gegenüber der Welt.

So könntest du mit dem Bild des Zwillings arbeiten

Hast du den Zwilling ausprobiert und willst ihn in deinen Alltag integrieren, um die dieses aufgerichtet-geerdete Gefühl noch mehr zu eigen zu machen?

Dann habe ich ein paar Vorschläge für dich:

  1. Bevor du dich in eine Sprechsituation begibst, könntest du dich einmal kurz mithilfe des Zwillings aufrichten, und dieses Gefühl – groß und geerdet – mit in die Situation nehmen. Mit auf die Bühne oder in dein Gespräch oder in deine Aufnahmesession.
  2. Du könntest deine Stimmroutine, wenn du eine hast, mit dem Zwilling beginnen. Oder vielleicht abschließen? Probiere aus, was dir am besten gefällt.
  3. Und natürlich kannst du im Alltag immer wieder mal, zwischendurch, an den Zwilling denken, und spüren, wie dein Körper (und alles andere) darauf reagiert.

Innere Bilder lösen etwas aus

Im Body-Mind-Centering wird viel mit Bildern gearbeitet. Ideokinese heißt das, und es gibt verschiedene Arten von Bildern. Manche sind ganz nah an der Anatomie, sie verdeutlichen etwas, was wirklich im Körper passiert. Andere, wie der Zwilling, sind ganz bewusst weiter weg von der Anatomie. Denn der Fokus auf ein bestimmtes Körperteil kann manchmal auch zu eng sein.

Auf alle Fälle machen innere Bilder etwas mit uns. Unser Gehirn unterscheidet nämlich gar nicht so sehr zwischen Realität und Vorstellung. Es springen die gleichen Hirnareale an, egal, ob wir uns ein Erlebnis vorstellen oder es „in echt“ erleben.

Gut, einen Zwilling, der von unten unsere Bewegungen spiegelt, werden wir vermutlich nicht in echt erleben.

Paula liegt seitlich auf dem Boden. Rechts daneben sind die Beine einer stehenden Person zu sehen. Ihre und Paulas Füße berühren sich.

Nicht, dass ich es nicht schon versucht hätte 😉 Hier bei den Proben zu „~ IM STROM“.

Das Gefühl, über Füße oder Hände Kontakt aufzunehmen, einen Druck zu erwidern und zu balancieren, das kennen wir dagegen schon. Beim Zwilling greifen wir darauf zurück, und so entsteht neues Erlebnis, mit erstaunlichen Auswirkungen.

Solche Prozesse finde ich unglaublich spannend. Solltest du den Zwilling ausprobieren und Lust auf Austausch haben, melde dich sehr gerne bei mir! Ich freue mich immer, über Körperarbeit, Sprechen und Stimme in den Austausch zu kommen 😀

Und wenn du Lust auf ein weiteres cool-verrücktes Vorstellungsbild für deine Aufrichtung hast, schau mal hier vorbei: Was du von Erdmännchen über deine Körperhaltung lernen kannst.

Alles Liebe
Deine Paula

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert