Kiefer lockern in 5 Schritten – Stimmübung des Monats September

von | Sep 13, 2023 | Stimme | 2 Kommentare

Heute zeige ich dir eine Übungssequenz in 5 Schritten. Sie dauert insgesamt ca. 5 Minuten und hilft dir, deinen Kiefer zu entspannen, wenn der Alltag ihn mal wieder hat fest werden lassen.

Das passiert leider allzu leicht. Wir machen „noch eben schnell“ etwas fertig, „ziehen es durch“ und „beißen die Zähne zusammen“. All das erzeugt Anspannung, nicht nur, aber auch im Kiefer. Wenn die stressige Situation vorbei ist, bleibt uns die Anspannung oft erhalten.

Die Folge können Kiefer-, Kopf- und Nackenschmerzen sein, aber auch für die Stimme und das Sprechen ist ein fester Kiefer nicht ideal.

Warum sollte ich meinen Kiefer lockern?

Ein entspannter Kiefer ist die Basis für eine deutliche und klare Artikulation. Das kannst du selbst ausprobieren, indem du die Zähne zusammenbeißt und dann versuchst, zu sprechen. Ohne sie voneinander zu lösen. Erstens ist das ganz schön anstrengend, und zweitens versteht man dich nicht mehr gut.

Das ist natürlich ein Extrem, das wir im Alltag nicht so wiederfinden. Aber die Tendenz ist da: Wenn sich der Kiefer nicht frei bewegen kann, ist es schwer, verständlich zu sprechen.

Für die Stimme ist ein lockerer Kiefer eine große Hilfe. Er geht beim Sprechen beweglich mit und erlaubt dir, den Mund zu öffnen. Dadurch erhält deine Stimme einen großen Resonanzraum, und der Klang kann ganz frei herausströmen.

Auch das kannst du ausprobieren: Mach ein langgezogenes „aaaaa“. Einmal öffnest du deinen Mund gerade so weit wie nötig, und einmal ein bisschen weiter. Nicht ganz so weit wie beim Zahnarzt, eher so, als würdest du eine Opern-Arie singen 😊.

Meine Vermutung ist folgende: Das „aaaaa“ mit dem weit geöffneten Mund klingt lauter, kraftvoller und klarer, und es ist deutlicher als ein „a“ zu hören, während das andere ein bisschen unspezifisch klingt. Richtig?

Wenn du dazu eine Frage hast, kannst du mir gerne jederzeit schreiben. Schließlich sind Stimme und Sprechen sehr individuell, und ich möchte dich nicht mit einem Fragezeichen im Kopf hier hängenlassen.

Wo ist mein Kiefermuskel?

Weißt du, wo genau sich dein Kiefermuskel befindet? Du kannst ihn ganz einfach finden. Stell dich dafür vor einen Spiegel und beiße leicht mit den Backenzähnen aufeinander. Dann lass sie wieder los. Wiederhole das noch ein paar Mal – wahrscheinlich kannst du die Bewegung im Spiegelbild sehen.

Falls du nichts siehst, kannst du die Bewegung auch mit den Fingern erspüren. Leg deine Hände auf Unterkiefer und Wangen und drück die Zähne dann immer wieder kurz aufeinander und löse sie wieder. Spürst du den kleinen Knubbel, der sich da hebt und senkt?

Voila, das ist dein Kiefermuskel, der sich an- und wieder entspannt 😀. In der Grafik hier unten wird er „Kaumuskel“ genannt ⬇️.

Grafik von einem menschlichen Schädel, mit eingezeichneten Muskeln: Kaumuskel, Schläfenmuskel, Zweibäuchiger Muskel

Der „Kaumuskel“ ist der, um den es hier geht. Er heißt auch Musculus Masseter und macht die Hauptarbeit beim Zubeißen. Bildquelle: dr.m-lange.de

Kiefer-Entspannungsroutine in 5 Schritten

Jetzt kommen wir zu meiner persönlichen Kiefer-Routine. Ich nutze sie immer dann, wenn ich ein Spannungsgefühl im Kiefer bemerke. Auch als sanftes Warm-Up vor dem Sprechen eignet sie sich gut.

Die 5 Übungen lösen Spannung im Kiefer und drumherum – auch auf Zunge, Nacken und Schultern können sie sich positiv auswirken. Und natürlich auf die Stimme!

Die Übungsreihe dauert insgesamt ca. 5 Minuten. Wenn dir eine Übung gefällt, kannst du sie auch einzeln machen. Ganz so, wie es dir gut tut.

Noch ein wichtiger Hinweis, bevor es losgeht: Der Kiefer ist sensibel, und wenn du dort starke Spannungen hast, ist es manchmal nicht leicht, sie zu lösen. Sei in diesem Fall bitte geduldig mit dir. Erzwinge nichts, und wenn du merkst, dass sich eine Übung nicht angenehm anfühlt, dann lass sie weg.

Bitte beachte auch, dass ich keine Ärztin, Logopädin oder Physiotherapeutin bin. Wenn du bereits Probleme oder Schmerzen im Kiefer hast, solltest du die Übungen nicht machen. Oder nur ganz vorsichtig, und in Absprache mit den Personen, die dich medizinisch betreuen.

1. Kopf und Nacken abklopfen

Als erstes klopfen wir den Kopf sanft mit unseren Fingerspitzen ab. Das soll als angenehmes, leichtes Trippeln auf dem Kopf spürbar sein. Du kannst dir Regentropfen vorstellen, oder das Wasser unter der Dusche.

Neben der Schädeldecke kannst du auch Stirn und Schläfen, deinen Nacken und die Seiten des Halses sanft abklopfen. Dadurch wird die Durchblutung angeregt und die Muskulatur um den Kiefer herum zum Entspannen eingeladen.

Dann lass die Hände sinken und spür nach. Wie fühlen sich Kopf, Nacken und Kiefer jetzt an?

Ich stehe vor einem weißen Vorhang und klopfe mit den Fingerspitzen meinen Kopf ab.

Sanftes Trippeln auf dem Kopf entspannt!

2. Hände auflegen

Leg deine Handflächen auf den Unterkiefer und spür ihre Wärme.

Kannst du den Kiefer in die Hände hinein entspannen? So als würdest du ihn dort ablegen, und die Hände würden ihn halten?

Wenn die Berührung angenehm ist, bleib ruhig eine Weile in dieser Haltung und genieße.

Ich stehe vor einem weißen orhang und umfasse Unterkiefer und Kinn mit meinen Händen.. Die Augen habe ich geschlossen.

Den Unterkiefer in die Hände hinein entspannen. Zwischen den Zähnen darf dabei ruhig ein bisschen Raum entstehen, und die Zunge darf sich groß und schwer im Mund ausbreiten.

3. Ausstreichen und Massieren

Jetzt löst du die Hände vom Kiefer und massierst ihn sanft mit deinen Fingerspitzen. Ausstreichen, leichter Druck, kreisende Bewegungen – probier aus und mach genau das und genau so viel, wie sich gut anfühlt.

Spür noch einmal nach. Wenn du magst, kannst du den Kopf dabei ganz sanft bewegen (leichtes Nicken, Kopfschütteln oder kleine Kreise mit der Nasenspitze). Wie fühlt sich deine Kieferregion jetzt an?

Ich stehe vor einem weißen Vorhanh und massiere meinen Kiefer mit den Fingerspritzen.

Kiefer massieren UND freundlich gucken? Fehlanzeige! Es ist zu entspannend 😅.

4. „Bla bla bla“ sagen

Jetzt spielen wir mit den Silben „Bla-bla-bla“. Wir gehen also schon in Richtung Sprechen und geben dem Kiefer die Gelegenheit, in Bewegung zu kommen.

Wiederhole die Silben 3-5 Mal in verschiedenen Stimmungen. Zum Beispiel:

  • gelangweilt
  • fröhlich
  • genervt
  • fragend
  • unsicher
  • erstaunt

Kannst du deine Gefühle oder Gedanken in diesem Moment in der „Blablabla-Sprache“ ausdrücken? Improvisier ruhig ein bisschen. Das ist auch ein schönes, spielerisches Warm-Up für deine Stimme.

5. Fahrradfahren in Münster

Bitte mach diese Übung nur, wenn deine Halswirbelsäule gesund und beschwerdefrei ist.

Die Fahrrad-Übung passt sehr gut zu meinem Wohnort: Münster ist eine absoluten Fahrradstadt, trotzdem ist in der Innenstadt fast überall Kopfsteinpflaster. Wenn man da mit dem Rad drüberfährt, wird man ganz schön durchgeschüttelt.

Dieses Durchgeschütteltwerden stellen wir jetzt nach. Greife mit deinen Händen einen imaginären Fahrradlenker. Bleib ansonsten ganz locker und lass vor allem deinen Kiefer los. Er darf sogar etwas herunterhängen, sodass der Mund offen steht.

Jetzt machst du mit den Händen eine kleine, rhythmische Schüttelbewegung. Nur die Hände sind aktiv! Der Rest des Körpers geht einfach passiv mit.

Wenn du magst, nimm die Stimme dazu und lass sie mit durchschütteln. Spürst du, wie Kiefer, Wangen und Klang in Bewegung kommen?

Dann komm wieder zur Ruhe und spüre nach. Idealerweise sollte sich dein Kiefer und die ganze Region darum herum jetzt warm, weich und wach anfühlen. Vielleicht spürst du auch ein Kribbeln in der Zunge, oder sie fühlt sich größer an?

Zum Abschluss kannst du noch ein paar Sätze sprechen. Wie fühlt sich das an? Ist es leichter geworden? Deutlicher? Klingt deine Stimme anders?

Schreib mir gerne, wenn du deine Beobachtungen mit mir teilen magst!

Sanft zu dir und zum Kiefer

Ich habe es oben schon kurz erwähnt: Sollte sich eine Übung nicht angenehm anfühlen, dann mach sie bitte nicht weiter.

Du solltest an dieser Stelle nicht ehrgeizig sein und nichts „aushalten“ oder „durchziehen“. Denn manchmal ist der Körper der Meinung, dass Spannung notwendig ist. Dann baut er beim Üben eben einfach noch mehr Spannung auf und blockiert.

Manchmal kommen auch Emotionen hoch, wenn der Kiefer loslässt. Sie sind vielleicht mit einem Moment des „Durchbeißens“ verbunden und waren bis jetzt dort gespeichert. Wenn so etwas passiert, kannst du immer entscheiden: Bin ich gerade bereit, dieses Gefühl zu fühlen? Oder überfordert es mich? Du darfst die Übungen jederzeit abbrechen.

Umgekehrt gilt: Wenn dir eine Übung gut tut, mach sie ruhig immer wieder. Je öfter du den Kiefer bewusst entspannst, desto leichter wird es dir fallen. Und desto eher bemerkst du, wenn sich neue Spannung aufbaut.

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Viel Spaß beim Üben und Sprechen!

2 Kommentare

  1. Stefanie

    Vielen Dank für diesen tollen, erhellenden Artikel. Tatsächlich ist ein verspannter Kiefer gerade mein Thema und es ist toll Anregungen zu bekommen, wie man die Verspannungen lösen kann.
    Es ist genau dieses „Zähne zusammenbeißen“, das mir die Anspannung beschert, so dass ich morgens kaum den Mund aufbekomme 🙂

    Liebe Grüße,
    Stefanie

    Antworten
    • Paula

      Liebe Stefanie,

      sehr gerne. Dann darfst du die Übungen ganz besonders sanft und aufmerksam machen, damit dein Kiefer mitkommt 🙂

      Ich beiße nachts manchmal auch ordentlich meine Zähne zusammen. Wenn ich tagsüber Spannung bemerke, lege ich meine Hände rechts und links auf den Kiefermuskel, und dann lässt er schon los, wenigstens für einen Augenblick.

      Denn auch das Loslassen ist trainierbar (ebenso wie das Zubeißen)!

      Liebe Grüße
      Paula

      Antworten

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