Woher bekomme ich meine Energie zum Sprechen?

von | Aug 2, 2024 | selbstbewusst introvertiert | 0 Kommentare

Einen Vortrag halten. Ein Interview geben. Einen Podcast einsprechen oder im Gespräch um eine gemeinsame Lösung ringen – das alles braucht Energie!

Wenn du, wie ich, eher introvertiert bist, hast du vermutlich ein starkes Bewusstsein dafür, welche Tätigkeiten für dich besonders energieintensiv sind. Und ich vermute, dass Sprechen da ziemlich weit oben auf der Liste steht 😉

Andererseits erinnerst du dich bestimmt auch an Momente, in denen das Sprechen ganz leicht war, oder? Vielleicht hast du sogar schonmal gemerkt, dass es dir Energie gegeben hat.

Diese Zusammenhänge will ich mir heute mit dir zusammen anschauen. Dabei geht es mir nicht um die Dinge, die wir außerhalb der Kommunikation für unsere Energie tun können (zum Beispiel Schlafen, Me-Time oder kreative Hobbies). Auch die sind wichtig! Aber heute geht es mir um den Energiefluss beim Sprechen selbst.

Wie schaffen wir es, dass die Energie zum Sprechen da ist, wenn wir sie brauchen? Was können wir tun, damit es uns leichter fällt?

Wer spricht? – Sei DU beim Sprechen!

Wenn du schonmal in einer Situation gesprochen hast, in der du nicht wirklich du selbst sein konntest, weißt du vermutlich, wie viel Energie das zieht. Ständig darauf zu achten, was du zeigen darfst und was nicht, ist echt anstrengend.

Für uns Introvertierte gilt das in besonderem Maße. Wir bekommen so oft gespiegelt, dass es besser wäre, extrovertiert zu sein, dass wir anfangen, uns so zu verhalten. Das ist aber viel energieintensiver, wenn es einem nicht entspricht!

Wenn es eine Situation gibt, in der dir das Sprechen mit oder vor anderen besonders anstrengend vorkommt, kannst du dir die folgende Frage stellen:

Fühlt es sich in dieser Situation für mich sicher an, wirklich ich selbst zu sein? Oder sind da Anteile, die ich verstecke, weil ich befürchte, dass die anderen mich dann nicht mehr akzeptieren?

Natürlich gibt es Dinge, die man nur in ganz vertrauter Gesellschaft zeigen will. Oder die vielleicht sogar niemand erfährt. Und das ist ok. Ebenso gibt es Rollen und Situationen, in denen man mehr oder weniger persönliche Eigenheiten einbringen kann.

Trotzdem lohnt es sich, bei diesen Begrenzungen genau hinzuschauen. Denn das eigene Auftreten im Auge zu behalten und bewusst zu kontrollieren, verbraucht Energie. Und manchmal erlegen wir uns Begrenzungen auf, die wir gar nicht brauchen.

Mit wem sprichst du? – Die Energie des Publikums

In Gruppentrainings mache ich manchmal die folgende Übung: Zwei Personen unterhalten sich und probieren verschiedene Sachen mit ihrem Blickkontakt aus. Zum Beispiel: A erzählt B von einem Erlebnis. B schaut überallhin, nur nicht in die Augen von A.

Die Reaktionen finde ich immer wieder spannend. Die meisten finden das Gefühl ganz schrecklich, wenn ihnen der Blickkontakt zu ihrem Gegenüber beim Sprechen fehlt. Deshalb machen wir das auch  nur 30 Sekunden lang.

Hier sind ein paar Formulierungen meiner Workshopteilnehmer*innen:

  • „Es fühlte sich an, als würde mir die Energie entzogen…“
  • „Ich konnte nicht mehr weiterreden.“
  • „Wozu soll ich denn noch reden, wenn mir nicht zugehört wird…“

Daran merkt man, wie sehr unser Sprechen auf ein Gegenüber bezogen ist. Wir sprechen, um gehört zu werden.

Das heißt im Umkehrschluss: Wenn dir jemand voller Interesse zuhört, ist das Sprechen leicht. Aus dem Kontakt und dem gegenseitigen Interesse entsteht Energie. Deshalb sind richtig gute Gespräche auch so belebend.

Daraus ergibt sich eine Aufgabe für das Sprechen: Suche den Kontakt zu deinen Zuhörer*innen, wecke ihr Interesse und geh auf sie und ihre Sichtweise  ein. Davon habt ihr beide was: Sprechen und Zuhören werden leichter.

Sonderfall Podcast: Mein Publikum ist nicht da!

„Äh, ok“, denkst du dir vielleicht, „und wie mache ich das bei einem Podcast? Da weiß ich doch überhaupt nicht, wer das später mal hören wird. Ich sitze alleine vor meinem Mikro.“ 

Stimmt, das ist eine besondere Situation, besonders wenn du einen Solo-Podcast oder eine Solo-Folge einsprichst. Deine Zuhörer*innen sind nicht da, sie wissen vielleicht noch gar nicht, dass sie dir zuhören werden.

Hier ist deine Vorstellungskraft gefragt! Stell dir am besten eine ganz konkrete Person vor, zum Beispiel aus deinem Freund*innenkreis, mit der du dich wohlfühlst und die sich für dein Thema interessiert. Stell dir vor, sie sitzt dir gegenüber und hört dir aufmerksam zu. Du wirst merken: Dein Sprechen wird kraftvoller und lebendiger.

Worüber sprichst du? Die Begeisterung für dein Thema IST Energie 

Vielleicht kannst du auch Energie aus deinem Thema ziehen! Nämlich dann, wenn du etwas ausgewählt hast, wofür du dich begeisterst. Meist sind das ja ohnehin die Themen, über die wir lang und breit reden könnten. Sogar sehr stille Menschen werden dann plötzlich lebhaft.

Meine These ist: Wenn sich jemand so richtig für ein Thema begeistert, dann entsteht Energie! Sie treibt dich an, noch tiefer in das Thema einzusteigen, und sie ist auch für andere spürbar. Sie macht Lust auf mehr, auch beim Zuhören!

Schwieriger ist es, wenn du über ein Thema sprechen musst, das dich gar nicht so sehr interessiert. Auch das kann ja im Arbeitskontext vorkommen. Entweder findest du dann den Blickwinkel, aus dem das Thema doch noch spannend wird, oder du konzentrierst dich mehr auf die beiden folgenden Punkte.

Warum sprichst du – was treibt dich an?

Warum ist das Thema wichtig für dich? Warum ist es wichtig, dass du hier, heute, mit diesen Menschen, darüber sprichst? Was hat dich an diesen Punkt gebracht und was treibt dich an, weiterzugehen?

Im „Antreiben“ steckt es ja schon drin: Die Frage „Warum“ führt dich zu deiner Motivation. Kann sein, dass du an ein paar äußeren „Motivatoren“ vorbeigehen musst, bis du bei deinem eigenen, inneren Antrieb angekommen bist.

Ein Beispiel:

Warum hältst du diesen Vortrag heute?
Weil ich in einem Vortragsseminar bin und wir jetzt Vorträge zum Üben halten.
Ok, und warum hast du dich zu dem Seminar angemeldet?
Weil ich selbstständig bin und gerne mal einen Vortrag über mein berufliches Thema halten möchte.
Warum möchtest du das?
Weil es so ein wichtiges Thema ist, von dem aber nur wenige wissen. Ich möchte, dass noch mehr Menschen davon erfahren.
Und warum findest du das Thema so wichtig?

Du siehst, worauf ich hinauswill, oder? Frag solange nach deinem Warum, bis es nicht mehr tiefer geht 🙂 Dort findest du einen starken Antrieb, der dir auch im Alltag Energie zum Sprechen geben kann.

Wozu sprichst du – was willst du bewirken?

Warum und Wozu sind eng miteinander verbunden, und vielleicht hast du bei der Frage nach deinem „Warum“ auch schon das „Wozu“ gestreift. Die Frage nach dem „Wozu“ führt zu unseren Zielen. Was willst du mit deinem Sprechen bewirken?

Nachdem die Leute dir zugehört haben, was möchtest du, dass sie tun? Wie möchtest du, dass sie sich fühlen? Worüber möchtest du, dass sie nachdenken?

Auch wenn wir diese Dinge nicht kontrollieren können – durch unser Sprechen geben wir Impulse, und die können kraftvoll sein. Also überleg dir genau, was sich durch dein Sprechen in der Welt verändern soll. Auch das kann ein starker Antrieb sein, und damit ein Erzeuger von Energie.

Schlusswort

Das ist mein Ansatz zum Thema „Energiefluss“ beim Sprechen. Was vielleicht auf den ersten Blick etwas esoterisch klingt, ist in meinen Augen sehr bodenständig. Es geht darum, wie wir mit unserem Sprechen in Verbindung kommen, und zwar mit uns selbst und mit unseren Zuhörer*innen.

Aus der Verbindung kommt die Energie. Und mit dieser Energie kann etwas entstehen, was weitergeht, weiterwirkt in die Zukunft. Ein Anstoß zum Umdenken. Eine Idee zum Handeln. Oder schlicht ein schöner, gemeinsamer Moment, der etwas im Fühlen verändert.

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