Wenn du einen Vortrag oder Workshop vorbereitest – irgendetwas, was für dich eine „große Sache“ ist, sitzt du dann am Abend vorher noch dran und bereitest vor? Schreibst, bastelst und optimierst?
Früher habe ich das immer so gemacht. Danach schlief ich schlecht. Entweder konnte ich nicht einschlafen oder ich wachte um 4 Uhr Morgens auf, weil meine Gedanken weiter um die „große Sache“ kreisten.
Für meinen Auftritt am nächsten Tag war das nicht so hilfreich. Erstens war ich erschöpft, und zweitens wurde meine Aufregung durch das nächtliche Gedankenkarussel nochmal ordentlich befeuert.
Also habe ich angefangen, zu experimentieren und bin mit der Zeit auf meine „goldene Regel“ gekommen. Wenn ich sie befolge, bin ich deutlich gelassener. Die Aufregung ist nicht weg, aber sie bleibt im Rahmen, und ich trete mit größerer Sicherheit vor mein Publikum.
Die Idee: Einen Puffertag einplanen
Ich gebe zu: Ich neige dazu, Aufgaben bis zum letzten Moment aufzuschieben. Besonders die schwierigen! Aber der Vorbereitungsstress am Abend vor einer Präsentation oder einem Workshop ging mir an die Nieren, und die schlaflose Nacht erst recht.
Bei der Planung meiner Workshopreihe im Frühjahr 24 dachte ich dann: Jetzt machst du es mal bewusst anders. Ich blockierte den Tag vor dem ersten Workshop in meinem Kalender und nahm mir vor, alles bis dahin fix und fertig zu haben:
- Inhalte geplant
- Materialien erstellt
- Flipcharts geschrieben
- Kekse und Tee eingekauft
- alles in einem handlichen Päckchen verstaut, das ich am Morgen vor meinem Workshop nur noch mitnehmen musste.
Das war direkt ein großartiges Gefühl: Alles fertig gepackt und noch einen ganzen Tag Zeit bis zum Workshop. Jetzt konnte ich entspannen und Abstand gewinnen.
Den Tag vor dem Workshop habe ich mir frei genommen. Der Beginn meiner Workshopreihe war definitiv eine große Sache für mich, deshalb war es mir wichtig, dass ich an diesem Tag wirklich entspannen konnte.
Was passiert an diesem Tag?
Der letzte Tag war für mich wie ein Puffer. Meine Aufmerksamkeit richtete sich auf andere Dinge. Spazieren gehen, etwas leckeres kochen. In dieser Zeit trat all das, was ich mir für den Workshop überlegt hatte in den Hintergrund. Es konnte sacken.
Ab und zu kam mein Kopf nochmal darauf zurück, und mir kam sogar noch die eine oder andere gute Idee, die ich mir notieren wollte. Aber dann gab es auch wieder Phasen, in denen ich gar nicht mehr daran dachte. So konnte ich zur Ruhe kommen und am Abend wunderbar einschlafen.
Und noch etwas ist mir aufgefallen: Die Art, wie ich an meinen Workshop dachte, veränderte sich. Meine Gedanken waren nicht mehr von Ängsten oder Befürchtungen bestimmt, sondern eher von positiven Erwartungen und von Neugier. Meine Aufregung war dabei, sich in Vorfreude umzuwandeln!
Warum ist ein Puffertag so hilfreich bei Aufregung?
Öffentlich zu sprechen, ist für die allermeisten Menschen aufregend. Das hat damit zu tun, dass wir uns sehr sichtbar machen. Wir zeigen uns und wir zeigen, wie wir denken und arbeiten.
Natürlich hoffen wir, damit auf offene, wohlwollende Zuhörer*innen zu treffen, und in ganz vielen Fällen ist das auch so. Aber theoretisch kann es passieren, dass es jemandem nicht gefällt. Und das ist für ein soziales Wesen ein ernstzunehmendes Risiko.
Also aktivieren wir unbewusst alle möglichen Systeme, die uns helfen, Gefahren zu überstehen. Der Körper macht sich zum Beispiel mit schnellerem Herzschlag und größerer Anspannung bereit. Der Geist stellt einen scharfen Fokus ein, einen Tunnelblick auf die Situation und ihre Herausforderungen.
Im Moment des öffentlichen Sprechens kann so ein Tunnelblick sogar hilfreich sein, aber in der Nacht davor finde ich ihn störend. Er schafft es nämlich, dass ich überhaupt nicht mehr von meinem Thema und meiner aufregenden Situation ablassen kann.
Mit anderen Worten: Ich bin in einer dauerhaften Aktivierung von körperlichen und mentalen Ressourcen gefangen, die es mir unmöglich macht, mich zu erholen. Deshalb ist ein Puffertag so hilfreich: Er lässt meinen Fokus wieder weiter werden und gibt mir die Möglichkeit, vor dem Workshop, Vortrag oder was es ist nochmal so richtig zu entspannen und meine Energiereserven aufzufüllen.
Das kannst du natürlich noch mit Aktivitäten kombinieren, die für dich persönlich entspannend sind. Ob das eher ruhige oder wilde Aktivitäten sind, ist von Person zu Person ganz unterschiedlich.
Ich kann mir aber nicht immer einen Tag frei nehmen!
Auch wenn es schön wäre, jedesmal einen freien Tag einzuplanen, wenn wir öffentlich sprechen – manchmal klappt es einfach nicht. Das geht mir ganz genau so.
Die gute Nachricht: Es muss nicht immer ein ganzer freier Tag sein. Du kannst die Idee so anpassen, dass sie gut in deinen Alltag passt. Hier geht es ums Ausprobieren: Wie viel Puffer brauchst du, um wirklich loslassen zu können? Und wie sieht die ideale Pufferzeit aus?
Hier sind ein paar Ideen, die mir schon geholfen haben:
- am Tag vor deinem öffentlichen Auftritt zwar arbeiten, aber nur Sachen machen, die nichts mit dem Auftritt zu tun haben
- einen halben Puffertag einplanen
- den Abend vor dem öffentlichen Auftritt mit ganz anderen Dingen und/oder Menschen verbringen
- direkt vor dem Vortrag/Workshop noch einen Spaziergang machen
Vielleicht stellst du auch fest, dass es nicht dein Ding ist, dir die Beschäftigung mit deinem Vortrag oder Workshop zu verbieten. Wenn du merkst, dass das bei dir Stress erzeugt, nimm das ruhig ernst, denn es gibt beim Thema Aufregung kein „one size fits all“.
Vielleicht hilft es dir eher, dich mit viel Zeit und Ruhe deinem Thema zu widmen? Oder du planst eine ablenkende Aktivität ein, aber ohne Verbote? Du tauschst dich mit einer Freund*in über dein Thema aus?
Finde deine eigene „goldene Regel“ für aufregende Ereignisse.
Meine goldene Regel für aufregende Ereignisse
Ich finde, für eine goldene Regel braucht es eine ganz klare Formulierung. Hier ist meine:
„Am Tag vor einem aufregenden Ereignis mache ich nach Möglichkeit nichts, was mit diesem Ereignis zusammenhängt. Wenn das nicht geht, halte ich mir zumindest den Abend als Pufferzeit frei.“
Wenn ich die befolge, bin ich wirklich um Einiges entspannter ☺️.
Schreib mir gerne von deinen Erfahrungen mit aufregenden Ereignissen und von deiner „goldenen Regel“, wenn du eine hast. Ich bin neugierig und freue mich auf den Austausch mit dir – in den Kommentaren oder auch per E-Mail.
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