Dieser Artikel ist an die 16. Folge des Herz und Zunge Podcasts angelehnt, den ich gemeinsam mit Lena Bodenstedt hoste.
Richtig gute Gespräche – sie können wach machen, glücklich und voller Energie. Sie bringen neue Ideen und Verbindungen. Doch Gespräche sind nicht komplett kontrollierbar. Manchmal entwickeln sie sich auch ganz unerwartet. In der 16. Herz & Zunge Folge fragen wir uns, was ein gutes Gespräch eigentlich ausmacht.
Du magst lieber hören als lesen? Hier kannst du die Folge anhören.
Lenas Gesprächsbeispiel: das Treppenhaus
Lena hatte vor Kurzem ein Gespräch mit ihrem Hausmeister. Es ging darum, dass die Bewohner*innen dafür bezahlen, dass das Treppenhaus gereinigt wird – was aber nicht passiert. Das wollte sie ansprechen, erfahren, was dahinter steckt und, wenn möglich, eine Lösung finden.
Im Gespräch erfuhr sie mehrere Dinge:
- der Hausmeister ärgert sich darüber, dass Schuhe und andere Sachen im Treppenhaus stehen
- er hat beschlossen, das Treppenhaus nicht mehr zu reinigen
- er möchte das auch in Zukunft nicht mehr machen – selbst wenn das Treppenhaus wieder frei wäre
Am Ende einigten sich die beiden darauf, dass Lena ihren Vermieter anruft. Der hat dann später nochmal persönlich mit dem Hausmeister gesprochen und konnte ihn überzeugen, mit der Reinigung weiterzumachen.
War das ein gutes Gespräch?
Hätte man Lena oder den Hausmeister direkt im Anschluss gefragt, ob sie das als „gutes Gespräch“ empfunden haben, hätten sie vermutlich Nein gesagt. Trotzdem haben wir auch ein paar Aspekte gefunden, die wir positiv fanden:
- Beide Seiten haben etwas erfahren, was sie vorher noch nicht wussten. Sie haben neue, wichtige Informationen ausgetauscht.
- Sie sind zu einem gemeinsamen Ergebnis gekommen – einem Ansatz zur Lösung des Problems.
Die Atmosphäre des Gesprächs war eher angespannt. Der Hausmeister brachte seinen Ärger zum Ausdruck. Trotzdem sagte Lena, dass sie deutlich erkennen konnte, dass der Ärger nicht gegen sie persönlich gerichtet war. Es ging trotz allem immer noch um die Sache. Auch das bewerten wir bei aller Spannung positiv.
Gute Gespräche lösen gute Gefühle aus
Woran erkennen wir eigentlich – so ganz subjektiv – ein gutes Gespräch? Was sind das für Gespräche, bei denen wir intuitiv denken: „Das war gut!“?
Ich erinnere mich zum Beispiel an ein Gespräch, das schon bestimmt 10 Jahre her ist. Ich war bei einer Veranstaltung und fühlte mich etwas verloren, aber irgendwie kam ich mit einer fremden Person ins Gespräch. Wir fanden immer neue Themen, aus einem entstand direkt das nächste. Wir fanden uns spannend und fragten immer wieder neugierig nach. Worüber wir gesprochen haben, weiß ich nicht mehr so genau, aber an das Gefühl erinnere ich mich noch genau: Ich fühlte mich wach und belebt. Voller Energie.
Ein anderes Gespräch hat mir Ruhe vermittelt und so eine wohlige Entspannung. Ich habe es in diesem Blogartikel verarbeitet 🙂 Lena berichtet außerdem von Gesprächen, nach denen sie sich frei, leicht und inspiriert fühlt.
Unsere Schlussfolgerung: Gute Gespräche lösen gute Gefühle aus. So einfach, so entscheidend.
Und was ist mit… allen anderen Gefühlen?
Aber was ist mit Gesprächen, in denen es nicht so harmonisch zugeht? Was ist, wenn zum Beispiel Wut, Ärger oder Enttäuschung im Spiel sind? Ängste, oder Trauer? Kann es dann kein gutes Gespäch geben?
Wir finden, doch! Alle Gefühle sollten in der Kommunikation ihren Raum bekommen. Davon sind wir fest überzeugt. Und deshalb muss die Atmosphäre auch nicht immer harmonisch und schön sein. Damit es trotzdem ein gutes Gespräch wird, finden wir zwei Dinge wichtig:
- über Gefühle und Bedürfnisse sprechen, ohne sich persönlich anzugreifen
- nach Lösungen suchen, die für euch alle funktionieren
Und wenn das gelingt – wenn die Gefühle endlich raus dürfen und gesehen werden, wenn ihr vielleicht sogar eine gemeinsame Lösung findet – dann verändern sich die Gefühle. Ein Gespräch ist ein dynamischer Prozess, in dem ganz viele verschiedene Gefühle auftauchen können. Und wenn Ärger, Wut oder Angst (zum Beispiel) einem Gefühl der Erleichterung weichen, dann war es ganz bestimmt ein gutes Gespräch!
Wichtig finden wir dabei, dass die guten Gefühle auf beiden Seiten vorhanden sind. Wenn nur eine Person als „Gewinner“ mit guten Gefühlen rausgeht, die andere aber nicht, dann wäre das aus unserer Sicht kein gutes Gespräch. Und zwar deswegen, weil keine gemeinsame Lösung gefunden wurde. Das Ergebnis des Gesprächs ist nicht wirklich ein gemeinsames – es ist einseitig, mit einseitigen Vorteilen und Nachteilen.
7 Eigenschaften guter Gespräche
Natürlich haben wir auch ein paar ganz konkrete Merkmale guter Gespräche gesammelt. Dabei muss man bedenken, dass Gespräche sehr unterschiedlich sein können.
Bei einem Meeting mit Kolleg*innen stört es mich beispielsweise, wenn ständig neue Gesprächsthemen eingeworfen werden. In einem angeregten Gespräch mit einer Freundin kann das dagegen auch schön sein.
Noch ein Beispiel: Mein Mann hat mir erzählt, dass er es manchmal schön findet, mit einem Freund zusammen zu schweigen. Das Gespräch hat dann lange Pausen. Trotzdem empfindet er diese Gespräche als gute Gespräche. Es gibt aber auch Situationen, in denen das nicht funktioniert. In einer Besprechung zum Beispiel, bei der man zusammenkommt, um ein gemeinsames Problem zu lösen.
Man kann also nicht jedes Merkmal auf jedes Gespräch anwenden. Zur Orientireung finden wir die folgenden 7 Eigenschaften guter Gespräche trotzdem hilfreich:
- Das Gespräch ist ein gemeinsamer Denk- und Aushandlungsprozess. Es geht über das hinaus, was man sich alleine überlegen könnte, und es wird von allen gemeinsam gesteuert.
- Die Gesprächspartner*innen begegnen sich in einer wertschätzenden Haltung. Sie hören einander zu und nehmen sich gegenseitig ernst.
- Sie tauschen Informationen aus, und alle haben die Möglichkeit, ihre Perspektive beizutragen.
- Wenn sie über Gefühle sprechen, tun sie das, ohne sich persönlich anzugreifen.
- Alle sprechen über das gleiche Thema, und allen ist klar, worüber gesprochen wird.
- Wenn ein Problem gelöst werden soll, schauen die Gesprächspartner*innen gemeinsam nach vorne – sie suchen nach Lösungen.
- Es gibt ein Ergebnis, das alle gemeinsam verantworten können. – Das muss nicht immer gleich die Lösung sein, auch ein nächster Schritt gemeinsamer Schritt ist ein gutes Zwischenergebnis.
Was tun, wenn sich ein Gespräch nicht gut anfühlt?
Es hat viel mit der Situation zu tun, wie ein Gespräch läuft, und wie einfach es ist, ihm eine positive Richtung zu geben. Auch unter schwierigen Bedingungen gute Gespräche zu führen, das ist eine Kompetenz, die Zeit und Training braucht. Mach dir deshalb keine Sorgen, wenn du mal nicht weiter weißt.
Lena empfiehlt für solche Moment, das Gespräch kurz zu unterbrechen. Sie sagt dann wirklich so etwas wie „Moment bitte, ich brauche kurz Zeit, um mich zu sortieren“ und verlässt den Raum. Dann kann sie in Ruhe überlegen, was gerade passiert ist, und wie sie das Gespräch weiterführen möchte.
Und manchmal geht im Gespräch alles so schnell, dass man gar nicht so reagieren kann, wie man möchte. Man geht dann vielleicht wütend und streitend auseinander. Was da eigentlich passiert ist, und wie man hätte anders reagieren können, wird einem erst später bewusst. In solchen Momenten nehme ich den Faden oft später noch einmal auf, wenn sich die Gemüter beruhigt haben.
Schwierige Bedingungen
Ein extremes Beispiel schwieriger Gesprächsbedingungen habe ich vor Kurzem am Telefon erlebt. Ich hatte eine Dienstleistung angefragt und ein Angebot erhalten. Dazu wollte ich dem Anbieter noch ein paar Fragen stellen. Die Verbindung war aber so schlecht, dass ich ihn kaum verstehen konnte, und am Ende des Gesprächs sagte er: „Danke für den Auftrag!“ Ich wollte ihm aber noch gar keinen Auftrag erteilen! Also schickte ich ihm eine E-Mail hinterher, und beim nächsten Telefonat konnte ich die Sache dann aufklären. Inzwischen hatte ich auch alles nochmal mit meinem Team besprochen und konnte ihm guten Gewissens – und diesmal mit Absicht – zusagen. Das Gespräch endete wieder mit „Danke für den Auftrag!“, aber die Stimmung war diesmal ganz anders.
Das Gefühl, wenn man ein schwieriges Gespräch gemeistert und gemeinsam eine Lösung gefunden hat, beschreibt Lena wie das Lösen eines Knotens. Es ist einfach unglaublich erleichternd 🙂
Fazit
Das Thema Gute Gespräche ist natürlich noch viel größer. Wir schaffen in einer halbstündigen Podcastfolge (+Artikel) immer nur eine erste Annäherung. Aber wir hoffen, dass dein Interesse geweckt ist. Vielleicht hast du ja Lust, mal für dich zu überlegen:
Welche Gespräche findest du besonders gelungen, und was ist das Besondere an ihnen?
Hast du auch so ein Gespräch, an das du dich erinnerst, als wäre es gestern gewesen, obwohl es schon ganz lange her ist? Und falls ja – verrätst du es mir in den Kommentaren?
Bis Bald
Deine Paula
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