WEIT. WEICH. WACH. | Sprechen ist Verbindung. – Mein berufliches Motto

von | Jan 21, 2024 | Persönliches | 0 Kommentare

Weit. Weich. Wach.

Diese drei Worte sind meine Wegweiser für die Arbeit am Sprechen. Sie beschreiben eine Haltung und einen Zustand:

Eine Haltung, die von Respekt und echtem Interesse am Gegenüber geprägt ist, und die zugleich dir und deiner Botschaft Raum gibt.

Einen Zustand, in dem du entspannt und gleichzeitig hellwach bist. Mit dir selbst im Kontakt und bereit, die Menschen um dich herum wahrzunehmen und auf sie zu reagieren.

Man könnte diesen Zustand auch als Präsenz bezeichnen. Es ist ein Zustand, in dem du voll und ganz im JETZT bist, deine Aufmerksamkeit öffnest und Menschen einlädst, mit dir im Kontakt zu sein.

Dabei ist es nicht so, dass ich ständig in diesem Zustand verweilen würde. 😉 Aber ich suche ihn, immer wieder, weil ich weiß, dass er mir etwas wichtiges ermöglicht: Als die Person, die ich bin, mit den Dingen, die mich bewegen, sichtbar und fühlbar zu werden.

Eine Verbindung herzustellen zu den Menschen, mit denen ich spreche, ihnen ein bisschen was von meiner inneren Welt zu zeigen und vielleicht etwas von der ihren zu erfahren.

Denn genau darum geht es beim Sprechen. Sprechen ist Verbindung.

Weit werden: Räume öffnen

Bei Weite denke ich an Raum. Viel Raum.

Wenn ich auf einem Berg stehe und in die Ferne schaue, habe ich eine Menge Raum um mich. Und dieser äußere Raum macht etwas mit meinem inneren Raum:

  • Ich werde groß, das heißt, ich richte mich auf. Ich strecke mich in den Raum.
  • Ich atme tiefer – meine Atemräume dehnen sich beim Einatmen kraftvoll aus.
  • Mein Blick schweift in die Ferne. Ich überblicke einen großen Raum, entdecke Einzelheiten oder lasse die Stimmung insgesamt auf mich wirken.
  • Mein Denken wird weit. Es löst sich von kurzfristigen Zielen und nimmt das Große Ganze in den Blick.
  • Auch emotional reagiere ich auf die Weite. Kann sein, dass sich Sehnsucht oder Abenteuerlust einstellen. Kann auch sein, dass ich innerlich ganz ruhig werde.
Ausblick von einem Berg aufs Meer, man sieht grüne Hügel und kleine Inseln.

Ausblick vom Helgafell, dem „heiligen Berg“ in Island.

➡️ Und was hat das jetzt mit Sprechen und Kommunikation zu tun?

Einen Raum mit deiner Stimme ausfüllen

Jetzt wird es spannend! Denn beim Sprechen gestalten wir Räume. Indem wir etwas sagen, nehmen wir uns Raum. Wir schicken unsere Stimme in den Raum um uns herum, und überbrücken eine Distanz. Schließlich sprechen wir nicht einfach so, sondern zu jemandem, für jemanden und mit jemandem!

Die Menge an Raum, die wir mit unserer Stimme ausfüllen, passt sich dieser Distanz an. Sitzen wir nebeneinander auf einem Sofa, oder stehe ich auf der einen Seite des Raums, und du auf der anderen? Wir richten unser Sprechen und Zuhören aufeinander aus, und dadurch entsteht ein gemeinsamer Raum. Ein Raum, in dem wir einander hören und verstehen können.

Deshalb können Schauspieler*innen einen ganzen Saal bis zur letzten Reihe mit ihrer Stimme erreichen: Sie erzeugen innere und äußere Weite. Das betrifft die körperliche Ebene mit ihren Atem- und Resonanzräumen, aber auch Aufmerksamkeit und Wahrnehmung. Sie dehnen sozusagen ihr Bewusstsein bis zur letzten Reihe hin aus.

Dasselbe gilt für Referent*innen auf der Vortragsbühne. Auch sie nehmen sich Raum und Zeit für ihre Botschaft. Sie bauen eine Verbindung zu ihrem Publikum auf und lassen einen gemeinsamen Denkraum entstehen.

Gemeinsame Denk- und Fühlräume schaffen

Egal, ob ich ein Gedicht spreche, einen Vortrag halte oder mich im Gespräch befinde, ich lade andere Menschen ein, sich auf meine Gedanken einzulassen und sie in ihren eigenen Denkprozess mit hineinzunehmen. Sie werden darauf reagieren – ob still für sich, nonverbal oder in Worten und Handlungen.

So ein gemeinsamer Denkprozess setzt Offenheit voraus, die Bereitschaft, eine andere Perspektive kennenzulernen und Widersprüche auszuhalten. Das verstehe ich unter Weite im Denken.

Bist du wirklich an deinem Gegenüber interessiert und bereit, dich in seine Lage hineinzuversetzen? Empathie könnte man als Weite im Fühlen bezeichnen.

Und wenn du dich traust, große Ideen zu formulieren, wenn du in die Ferne schaust und sagst, „lass uns versuchen, da hinzukommen“, dann ist das Weite im Wollen.

Das alles braucht Mut, ich weiß. Aber ich bin mir sicher, dass du es kannst und manchmal, ganz intuitiv, sogar schon machst. ✨

Weich bleiben: zulassen, berührt zu werden

Weich zu bleiben, ist gar nicht so einfach, oder? Jedenfalls nicht, wenn man von außen mit so Dingen wie Zeitdruck, Beurteilungen oder Vorwürfen konfrontiert ist.

Vielleicht hast du auch schon Sätze gehört wie „du bist zu nett“, oder „du musst härter durchgreifen“. Da merkt man dann, dass Weichheit in unserer Gesellschaft nicht gerade positiv gesehen wird.

Doch ich bin mir sicher, dass wir Weichheit brauchen, wenn wir auf einer zwischenmenschlichen Ebene miteinander in Kontakt kommen wollen. Und auch, um mit uns selbst im Kontakt zu sein.

Weichheit ist eine entspannte Stimme

Auf der körperlichen Ebene ist Entspannung eine Form von Weichheit. Sie ist wichtig, damit unsere Stimme Resonanz entwickeln kann. Das heißt, dass die Schwingungen aus dem Kehlkopf im Körper verstärkt werden. Der Klang deiner Stimme wird dadurch voller, vielschichtiger, wärmer und, ja – weicher. 😊

So klingt deine Stimme laut und tragfähig, ohne dass du dich anstrengst. Eine solche Stimme wirkt nicht nur entspannt, sie entspannt auch die Zuhörenden. 💡

Ich stehe in einem hellen Raum, die Augen geschlossen und die Hände auf meinen Bauch gelegt.

Spüren und entspannen.

Weichheit ist eine Membran zwischen innen und außen

Eine entspannte Stimme kommt aber nicht daher, dass man JEDE Spannung loslässt. Das wäre dann ZU locker. 😉 Es ist eher ein Gleichgewicht zwischen Anspannung und Entspannung, ein lockerer, flexibler Zustand, in dem wir auf Impulse (von innen oder außen) ganz leicht reagieren können.

Im Sprech- und Schauspieltraining nennt man diesen Zustand auch „Durchlässigkeit“weil die Impulse aus unserem Inneren nicht blockiert oder versteckt, sondern „durchgelassen“ werden.

Auf diese Weise wird die Verbindung zwischen Körper und Geist gestärkt. Wir erlauben uns, zu spüren und auszudrücken, was uns in unserem Inneren bewegt.

Im Kontakt mit dem Publikum macht diese Durchlässigkeit unsere innere Welt für das Publikum erfahrbar. Nicht nur auf der intellektuellen Ebene, sondern auch emotional und körperlich. Was wir beim Sprechen erleben, kann sich dann auf das Publikum übertragen.

Unsere Leidenschaft und unsere Begeisterung für ein Thema werden spürbar.

Weichheit ist wie Wasser

Die Qualität des „Durchlassens“ verbinde ich ganz stark mit Wasser. Das kann man auch auf die Kommunikation übertragen.

Wenn wir uns auf den Kontakt mit anderen Menschen einlassen, wissen wir nicht genau, was uns erwartet. Klar, Erfahrung hilft, aber letztlich ist jeder Kontakt neu und anders. Weich bleiben heißt, dass wir uns darauf einlassen, was von den anderen Menschen kommt.

Das heißt zum Beispiel:

  • zuzuhören und andere Perspektiven anzuerkennen.
  • die eigene Position zu hinterfragen.
  • nochmal neu und anders zu erklären, wenn eine Erklärung nicht verstanden wurde.
  • deine vorbereiteten Gedanken im Moment der Kommunikation neu zu denken.
  • nach gemeinsamen Lösungen zu suchen.

Natürlich kannst du trotzdem deine Ziele verfolgen und klare Grenzen setzen! Das ist für mich kein Widerspruch. Oder vielleicht sage ich es so: Wenn Weite (Raum nehmen, eigene Ziele verfolgen) und Weichheit (andere wahrnehmen und sich auf sie einlassen) zusammenkommen, entstehen neue, gemeinsame Möglichkeiten. 😃

Weichheit ist ehrlich

Im Bereich des Fühlens heißt Weichheit für mich: Ernst nehmen, was du fühlst, und nicht einfach darüber hinweggehen.

Das ist ein großes Thema, und nicht überall ist diese Ehrlichkeit möglich. Aber Gefühle und Beziehungen gehören zur Kommunikation dazu, ohne geht es überhaupt nicht. Wenn wir versuchen, sie auszuklammern, erreichen wir nur, dass sie heimlich, „im Untergrund“ mitlaufen und Probleme verursachen, über die man nicht sprechen kann.

Deshalb gehört zur Weichheit in der Kommunikation:

  • Sensibilität und Empathie für eigene und fremde Gefühle.
  • Dass Gefühle da sein dürfen, und dass sie ungemütlich sein dürfen.
  • Gefühle zeigen und darüber sprechen.

Man könnte auch sagen: Das Visier fallen lassen und die harte Rüstung ausziehen. – Die Sozialwissenschaftlerin Brené Brown beschreibt diese Art von Weichheit oder Verletzlichkeit als „wilderness“.

Es braucht eine Menge Mut, um sich in die Wildnis aufzumachen. Es verändert einen. Und man wird mit Freiheit und und einer stärkeren Verbindung zu sich selbst belohnt.

Ein Buch auf einer hölzernen Tischplatte: Brené Brown, Braving the Wilderness.

Brené Brown: Braving the Wilderness. In diesem Buch geht es um das Konzept der Wildnis und darum, wie man den Mut findet, etwas zu tun, womit man erstmal alleine dasteht.

➡️Zum Thema Gefühle in der Kommunikation haben meine Kollegin Lena und ich eine Podcastfolge aufgenommen, sie heißt „Ich fühle, also bin ich.“

Wach sein: Lebendigkeit

Ein lebendiger Kontakt, ein lebendiges Sprechen. Damit verbinde ich Freude, Neugier aufeinander, Begeisterung für ein gemeinsames Thema, aber auch Spaß, Humor und dass man einen Moment lang wirklich zusammen ist. Wenn ich alles andere vergessen und mich ganz auf diesen Moment, diesen Kontakt einlassen kann, dann empfinde ich ihn als lebendig. Und um das zu ermöglichen, muss ich wach sein.

Auf der körperlichen Ebene heißt das zum Beispiel…

  • dass deine Augen offen und dein Blick wach und neugierig ist
  • dass du dich jemandem mit dem ganzen Körper zuwendest
  • dass du aufrecht und entspannt-gespannt bist
  • dass sich deine ganze Konzentration auf diesen Moment fokussiert

Weich und wach überschneiden sich – die Durchlässigkeit, das Sich-Einlassen auf den Moment hätte ich auch hier, unter Wachheit, einordnen können.

Interesse am Thema und an den Menschen

Interesse ist etwas, das uns automatisch wach macht. Wenn du über ein Thema sprichst, das dich wirklich interessiert, sprichst du lebendiger. Wenn du jemandem zuhörst, bist du aufmerksamer. Das Zuhören fällt dir leichter und du wirst nicht so schnell müde.

Dieser innere Bezug zu einem Thema, diese Leidenschaft setzt Energie frei.

Deshalb ist es eine gute Idee, dich beim Sprechen mit deiner Leidenschaft zu verbinden. Warum willst du über das Thema sprechen? Was ist daran interessant und wichtig? Was begeistert dich? Lass das ruhig durchscheinen und erlaube dir, Funken zu sprühen! ✨

Diese Begeisterung an sich kann schon sehr faszinierend sein. Deine Wachheit wird dann vielleicht schon auf die Zuhörer*innen überspringen. Ideal ist es natürlich, wenn auch die Inhalte, die du ausgewählt hast, bei ihnen Interesse auslösen. Dann kann eure Wachheits-Verbindung erstmal nichts mehr durchbrechen. 😉

Aufwärmen vor dem Sprechen

Ein alltagspraktischer Gedanke: Wenn du vom Schreibtisch in ein Meeting oder vom Frühstückstisch in eine Konferenz gehst, fliegen dir vermutlich 1827 Gedanken im Kopf herum. So ist das jedenfalls bei mir.

Die Konzentration auf den Moment, die körperliche Weite und Durchlässigkeit sind nicht einfach so da. Es ist ein bewusster Prozess des Runterkommens, Umschaltens und Einstimmens, der das WEITWEICHWACH möglich macht.

Das kann man in Form eines Körper- und Stimm-Warm-Ups machen. Die gibt es in vielen Variationen, in meinen Workshops und Trainings lernst du sie kennen.

Du kannst aber auch erstmal deine persönlichen Ressourcen dafür nutzen. Was tut dir gut, was hilft dir, weit, weich und wach zu werden? Für manche ist es Tanzen zu Musik, für andere Meditation, ein Moment der Ruhe oder eine Runde Joggen. Du kannst experimentieren und das, was dir hilft, bewusst einbauen, wenn du weißt: heute brauche ich meine ganze Präsenz.

Da sind wir auf der Bühne in einer Szene aus IM STROM, Julius Kuebart, Uwe Rasch, Marion Bertling, Lena Bodenstedt und ich. Julius liegt auf dem Boden und alle schauen ganz gebannt auf seine Hände.

Für die Bühne brauche ich maximale Wachheit. Das fühlt sich dann aber auch SEHR lebendig an!

Fazit

Meine Wegweiser weit, weich und wach setzen einen ganz bestimmten Fokus: Sie bringen Denken und Spüren zusammen, Kopf, Herz und Körper. Sie machen, dass die Arbeit am Sprechen sich richtig gut anfühlt. ☺️

So entsteht eine lebendige Kommunikation, in der der Kontakt alles ist. Aus dem Kontakt entsteht ein Erlebnis, ein gemeinsames Denken, das wirklich an dem dran ist, was ihr braucht und was euch bewegt.

Das ist mein Ideal. Und wenn ich im Sprechtraining dazu beitragen kann, dass du dich einem solchen Sprechen annäherst, wenn ich auch nur ein kleines Puzzleteil dazu beitragen kann, ist meine Mission erfüllt.

Schreib mir gerne eine Mail, wenn du mehr darüber wissen willst! Wir können ein Kennenlerngespräch per „zoom“ führen oder (in Münster) spazieren gehen. Wenn du willst, erzähle ich dir alles über meine Trainings und Workshops, oder wir kommen auf eine andere Art zusammen.

Und sei es, dass wir einfach eine Runde gemeinsam gedacht haben.

Bis bald
deine Paula

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