Schulterseufzen – Stimmübung des Monats Januar

von | Jan 29, 2024 | Stimme | 0 Kommentare

Spannung in den Schultern, im Nacken und im Kiefer, Anstrengung beim Sprechen und das Gefühl, dass die Stimme nicht so richtig will – das hängt oft zusammen.

Mit meiner Stimmübung des Monats zeige ich dir eine schnelle, einfache und wunderbar wirkungsvolle Entspannungsübung für deine Schultern UND deine Stimme.

Wieso hängen Schultern und Stimme zusammen?

Darauf habe ich eine kurze und eine längere Antwort. 🙃

Kurze Antwort: Schultern und Stimme sind nah beieinander

Die Stimme entsteht im Kehlkopf, und die Schultern sind da ziemlich nah dran. Starke Spannungen in den Schultern breiten sich aus. Auch die Muskeln im Kehlkopf, im Hals, im Kiefer und im Gesicht werden dann fest.

Wenn diese Muskeln locker sind, unterstützen sie deine Stimme. Sie lassen große Resonanzräume entstehen, in denen der Klang verstärkt wird. Die beweglichen Teile (also Kiefer, Zunge, Lippen etc.) sprechen ganz leicht auf deine Ideen an und bringen sie klar und verständlich zum Ausdruck.

Wenn sie dauerhaft angespannt sind, können sie sich nicht mehr so frei bewegen. Dann arbeiten wir beim Sprechen gegen einen Widerstand an. Die Resonanzräume sind klein, und die Stimme verliert an Kraft.

Lange Antwort: das Nervensystem auf Kommunikation umstellen

Mit der langen Antwort möchte ich den Zusammenhang von Schultern und Stimme ganzheitlich denken.

Wann passiert das denn eigentlich, dass wir die Schultern hochziehen? Ich würde die Frage so beantworten: Meine Schultern spannen sich an, wenn ich…

  • Stress habe.
  • mich erschrecke.
  • unter Zeitdruck stehe.
  • mich innerlich gegen etwas „wappnen“ muss.
  • mich nicht wohl fühle und durch eine Situation „irgendwie durchkommen“ will.

Das geht dann noch mit ein paar anderen Sachen einher. Mein Atem wird zum Beispiel flacher, manchmal kriege ich auch Herzklopfen, und die Anspannung ist neben meinen Schultern auch noch im Kiefer, Nacken, Rücken und im Gesicht zu finden. Also, um es konkret zu sagen: Meine Augenbrauen ziehen sich zusammen, die Stirn liegt in Falten, mein ganzes Gesicht spiegelt das, was in mir gerade vorgeht.

Was mir in diesem Zustand schwer fällt: Offen zu sein und mich auf einen anderen Menschen einzulassen. Ich bin dann in so einem Tunnelblick, nur auf das fokussiert, was ich gerade schaffen muss. Wirklich mit mir in Kontakt bin ich nicht, und deshalb fällt es mir auch schwer, mit anderen in Kontakt zu kommen.

Schaut man sich das ganze auf der Ebene des Nervensystems an, wird mein Eindruck bestätigt: Kommunikation und Kontakt können wir am besten, wenn unser Nervensystem entspannt ist.

Und wenn „Schultern anspannen“ eine Reaktion auf stressige Situationen ist, dann ist „Schultern entspannen“ auch ein Weg, um Stress abzubauen.

Die Stimme hilft dabei übrigens! Der Kehlkopf wird nämlich vom Vagusnerv versorgt, der im Nervensystem für Entspannung sorgt. Die Vibrationen in diesem Bereich regen seine Tätigkeit an und fördern dadurch Entspannung.

Seufzen ist da besonders effektiv, weil es die Stimme ganz intuitiv mit einem ganzkörperlichen Loslassen verbindet. Wenn dann noch sanfte Schulterbewegungen dazukommen, ist es einfach ideal. ☺️

So wirkt das Schulterseufzen auf deine Stimme

Ok, und wie wirkt sich das Schulterseufzen jetzt konkret auf Stimme und Sprechen aus?

  • Deine Schultern sinken tiefer nach unten.
  • Dein Kiefer wird lockerer.
  • Die Entspannung im Schulter-Nacken-Kieferbereich fühlt sich wie eine große Erleichterung an.
  • Die Stimme wird freier – du kannst mit ganz wenig Anstrengung Töne machen.
  • Sie klingt weicher, wärmer und vielleicht auch tragfähiger.
  • Dein Atem reguliert sich. Er wird tiefer und voller, ohne dass du konkret darüber nachdenken musst.
  • Du fühlst dich vermutlich wohler und kannst dich leichter auf andere Menschen einlassen.

Das Schulterseufzen eignet sich als sanftes Warm-Up, das du zum Beispiel am Morgen einsetzen kannst, um die Stimme in Gang zu bringen. Du kannst es aber auch als Cool-Down nach einer anspruchsvollen Sprechsituation einsetzen, oder wenn du zu lange am Schreibtisch gesessen hast und merkst, wie sich deine Muskulatur verhärtet.

Ich persönlich schätze am Schulterseufzen besonders den Entspannungseffekt. Wenn die Schultern immer tiefer nach unten sinken, von wohligem Seufzen begleitet, fühlt sich das an, als würde ein Gewicht von mir abfallen. 😊

Wie ich zum Schulterseufzen kam

Das Schulterseufzen ist keiner bestimmten Richtung der Stimmarbeit und keiner bestimmten Person zuzuordnen. Es hat sich in meiner täglichen Stimmpraxis ganz organisch entwickelt, aus den Dingen (Seufzen und Schultern rollen), die ich sowieso mache und dann irgendwann einfach kombiniert habe.

Von dem intensiven Entspannungseffekt war ich so begeistert, dass ich die Übung für dich beschreiben wollte.

So geht Schulterseufzen

Du kannst die Übung im Stehen oder aufrecht sitzend machen. Such dir auf jeden Fall eine Position, in der du locker, ohne Anstrengung aufrecht sein kannst.

Los geht´s!

  1. Mach kleine Kreise mit den Schultern.
    Die dürfen wirklich klein sein, kein Dehnen und kein „Gucken-wie-weit-ich-komme“, sondern ganz entspannt und gemütlich. Denk auch dran, ab und zu die Richtung zu wechseln.
  2. Verbinde die Kreise mit deinem Atem: 
    Einatmen = Schultern kommen nach oben
    Ausatmen = Schultern sinken nach unten
  3. Verbinde das Ausatmen mit einem Seufzer.
    Seufzen kann man mit und ohne Ton. Ohne Ton ist gut zum Rantasten und wenn die Stimme grad nicht so fit ist (Erkältung, schon viel gesprochen, dir ist nicht nach Stimme). Mit Ton ist dafür extra-entspannend.
  4. Am Ende des Seufzers darfst du alles loslassen.
    Vielleicht entsteht eine kleine Pause nach dem Ausatmen. Das ist ok – lass deinen Körper entscheiden, wann es wieder weitergeht.
  5. Wiederhole das so oft wie du möchtest.
    Ich mache meistens so 1-2 Minuten. Probiere aus, was dir gut tut – das kann auch von Tag zu Tag unterschiedlich sein.

Wichtig bei allen Stimmübungen

Geh verantwortungsvoll mit deiner Stimme um. Wenn du Anstrengung, Kratzen, Schmerz oder andere unangenehme Empfindungen bemerkst, brich die Übung ab oder mach sie lautlos.

Stimmübungen wirken dann, wenn sie sich wohlig-angenehm anfühlen! Der Genuss ist dabei ein wichtiger Entspannungsfaktor. 😉

Abschluss

Das Schulterseufzen ist im Moment meine absolute Lieblingsübung. In meiner morgendlichen Stimmroutine taucht es immer wieder auf – und manchmal auch zwischendurch. 😊

Hast du Lust auf weitere sanfte Stimmübungen? Möchtest du deine Stimme besser kennenlernen und bewusster einsetzen? Suchst du nach Anregungen für deine eigene Stimmroutine? Dann schau dir meine Workshopreihe Stimme an. Vielleicht sehen wir uns ja in einem meiner Workshops in Münster!

Alles Liebe
deine Paula

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