Ich spreche. Mit Text auf der Bühne, ab und zu auch im Studio. Im Sprech- und Kommunikationstraining und natürlich im Alltag. Ich beschäftige mich mit dem Sprechen, aber ebenso mit dem Zuhören. Mit dem Verbindenden und Kreativen, das zwischen Sprechen und Zuhören entstehen kann. Aber was will ich damit bewirken?
Diese Frage hat mir Judith Peters gestellt, bei ihrer Challenge „Blog your Purpose“. Willst du wissen, was mein erster Impuls dazu war?
„Das, was Stimme und Sprechen für mich eröffnet haben, und immer wieder eröffnen: mich zu spüren. Wirksam zu sein. In Kontakt zu treten. Das möchte ich auch anderen (wieder) zugänglich machen.“
Jetzt, nach tagelangem Suchen, kehre ich zu diesem Satz zurück. Denn da ist schon alles drin.
Warum ich keine Lehrerin und keine Wissenschaftlerin werden wollte
Auf der Suche nach meiner Bestimmung kamen mir die großen beruflichen Entscheidungen meines Lebens in den Sinn. Denn die hatten damit zu tun, was ich in der Welt bewirken möchte. Auch wenn ich beim Entscheiden nie eine klares Bild von meiner „Bestimmung“ vor Augen hatte.
Ganz werden
Es war das zweite Semester an der Uni, und ich lebte auf dem Papier: Übersetzen. Lesen. Analysieren. Begründen und mit Literatur belegen. Ich mochte das. Aber es spielte sich im Kopf ab, nur im Kopf. Intuitiv merkte ich, dass mir etwas fehlte.
Dann fand ich dieses eine Seminar in der Sprecherziehung: „Balladen sprechen“. Das war eine andere Welt! Hier war nicht nur wichtig, was ich dachte – oder was andere gedacht hatten, die lange vor meiner Zeit lebten 😉 Nein, hier zählte auch, was ich fühlte. Welche Bilder vor meinem inneren Auge waren, wenn ich den Text las, und welche körperlichen Empfindungen sich dabei einstellten. Das war eine Arbeit, in die ich mich als ganzer Mensch einbringen durfte.
Ich meldete mich sofort für die Ausbildung zur Sprecherzieherin an. Dieses Gefühl, durch den Körper und das Sprechen mit mir in Verbindung zu kommen, wollte ich unbedingt festhalten.
Kreative Spielenergie
Ein paar Semester später machte ich Praktikum in einer Grundschule. Damals war ich noch auf Lehramt eingeschrieben. Vier Wochen lang begleitete ich eine vierte Klasse, und am Ende durfte ich eine eigene Unterrichsstunde halten. Die Stunde machte mir Spaß, und auch die Arbeit mit den Schüler*innen. Trotzdem stand für mich ziemlich schnell fest: Ich will auf keinen Fall Lehrerin werden.
Grund dafür war, was ich an der Schule beobachtete. Die Schüler*innen hatten großartige Ideen – kreative, spannende, spielerische Ideen, die in der Unterrichtsplanung der Lehrer*innen nicht vorgesehen waren. Immer hieß es nur:
- „Setz dich auf deinen Platz!“
- „Sei leise!“
- „Mach deine Aufgaben!“
Statt die Ideen der Schüler*innen aufzugreifen, ihre Kreativität und ihre ganz eigenen Fähigkeiten wertzuschätzen, wurde ihre Energie „gedeckelt“ – so empfand ich das damals. In der Schule war kein Raum für ihre Neugier, ihren Bewegungsdrang und ihre Lust, zu spielen.
Für mich waren diese Ansätze aber das Allerinteressanteste. In ihnen sah ich großes Potential für Lernen und für Entwicklung. Bei den Lehrer*innen dort war das anders. Einige von ihnen schienen sogar auf die Kinder herabzublicken.
Deshalb beschloss ich an dieser Stelle, dass die Schule nicht der richtige Ort für mich ist. Mein neuer Plan: mit Erwachsenen arbeiten und genau diese kreative Spielenergie wieder herauskitzeln!
Ich will beseelte und beherzte Sprecher*innen!
Diese beiden Aspekte sind mir bis heute wichtig. Das, was für mich möglich wurde – mich im Sprechen zu spüren und mein Denken, Fühlen und Handeln wieder zusammenzubringen – das möchte ich auch meinen Kund*innen in den Sprech- und Kommunikationstrainings ermöglichen.
In meinen Trainings stärken sie ihr Bewusstsein für sich selbst:
- ihren Körper, Atem und ihre Stimme
- ihre Wünsche und Bedürfnisse
- ihren ganzen eigenen Humor, Kreativität und Eigensinn
- ihre Kraft und Wirksamkeit, wenn sie für sich eintreten
Das dann ins Sprechen und in die Kommunikation zu bringen, dafür braucht man Mut. Und das ist auch etwas, das ich bewirken möchte. Ich will, dass meine Kund*innen Mut fassen.
Mut, ihre Zuhörer*innen anzuschauen und sich ihnen zu zeigen. Ihre Gedanken auszusprechen. Und auch ihren Körper sprechen zu lassen. Zu zeigen, wer sie sind und was sie wollen.
Ich möchte, dass sie lernen, sich Raum zu nehmen und ebenso Raum zu geben. Zuzuhören. Sich auf andere einzulassen und sie zu bestärken und im richtigen Moment zurückzutreten.
Ich möchte, dass sie sich öffnen für einen gemeinsamen Denkprozess. Einen Austausch, bei dem niemand vorher weiß, was das Ergebnis sein wird. Ein gemeinsames Abenteuer!
Und ich möchte, dass sie sich ganz klar werden, was sie aussagen wollen. Dass sie eine klare innere Haltung entwickeln, die sich dann mit gleicher Klarheit im Außen zeigt. Das gilt für Gespräche und Reden genauso, wie für einen Text, den man vorträgt – eigentlich gilt es beim Textsprechen sogar verschärft, weil der Text einem Worte vorgibt. Wenn man sie einfach nur wiederholt, ohne dieses Bewusstsein, was man damit sagen will, dann bleiben sie leer. Sie müssen mit neuem Leben, neuem Denken und Fühlen und Wollen gefüllt werden.
Ich will Menschen in die Lage versetzen, ihre Zuhörer*innen wirklich zu erreichen. Über die Distanz des Raums und über innere Distanzen hinweg. Ich will, dass sie ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen und sie mit Wort und Stimme berühren. Dass sie etwas anstoßen. Einen Gedankenprozess, ein Gefühl. Vielleicht sogar eine Handlung.
Und das alles auf eine Art, die zu ihnen passt. Zu ihren Werten und ihrer Persönlichkeit und zu ihrem Verständnis der Situation.
Ich möchte, dass sie sich zu beseelten und beherzten Sprechenden entwickeln❤️
Ich will Verbindung!
Und was will ich als Sprecherin bewirken? Wenn ich selbst mit einem Text auf der Bühne stehe, oder im Studio?
Dieser Teil fällt mir etwas schwerer, weil mich als Sprecherin immer wieder Selbstzweifel begleiten. Dabei liebe ich es, zu sprechen. Ich fühle mich total lebendig dabei. Aber ich stehe noch am Anfang, und da gibt es natürlich Menschen, die das noch besser können. Schon allein, weil sie eine intensivere Ausbildung hatten.
Deshalb fange ich ein bisschen weiter „bei mir“ an: Wenn ich mit einem Text auf der Bühne stehe, will ich mich verausgaben. Ich will ganz und gar in diesem Moment, dieser Aktion, sein. Mit Haut und Haaren.
Ich will, dass sich die Aufmerksamkeit der Zuhörer- oder Zuschauer*innen ebenso auf diesen Moment fokussiert. Genau jetzt. Genau hier.
Ich will, dass sie meine physische Präsenz spüren. Dass sie meine Stimme und meine Worte zu sich durchdringen lassen.
Ich will, dass sie meine Aktion zu ihrer machen (kennst du das, wenn du etwas mit Tanz und Bewegung auf der Bühne siehst, und dir zucken die Beine?). Ich will, dass sie mein Gefühl, meine Worte im Kopf „anprobieren“, dass sie sich hineindenken und hineinversetzen und von da aus ihre eigenen Reaktionen und Gedanken entwickeln.
Diese Verbindung ist, was ich suche. Was ich bewirken will. Ich glaube, dass diese Momente der Verbindung uns Menschen gut tun. Dass wir sie brauchen, um uns lebendig zu fühlen. Um wieder mit unseren eigenen Gefühlen, unserem Menschsein in Kontakt zu kommen.
Das ist eine ganz schöne Aufgabe. Und ich bin mir sicher, dass es sich lohnt.
Was ich hinterlassen möchte
Ich möchte einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass wir uns selbst und anderen mit Mut, Respekt und Offenheit begegnen.
Ich möchte, dass wir lernen, unseren Eigensinn wertzuschätzen. Dass wir unsere Stärken sehen und mit uns selbst in Verbindung bleiben. Denn ich glaube, dass wir dann bessere Entscheidungen treffen. Dass wir unseren Werten folgen und unserer Lebendigkeit, und nicht dem, was man „sollte“ oder „müsste“ oder „so gelernt hat“.
Die bewusste Begegnung mit Stimme, Sprechen und Kommunikation ist ein Weg, um diese Lebendigkeit und Verbindung zu finden. Die Menschen, mit denen ich arbeite, möchte ich dabei unterstützen, einen eigenen, starken, und kreativen Zugang zu diesem Weg zu finden. Ihre Lebendigkeit und Freude am Sprechen wird ausstrahlen auf die Menschen um sie herum und auch ihnen helfen, das „sollte“ oder „müsste“ in Frage zu stellen.
Wird etwas davon noch da sein, wenn ich nicht mehr da bin? Ich weiß es nicht. Ich habe keine Pläne für die „Ewigkeit“, wie zum Beispiel ein Buch oder sowas. Auch keine Kinder, denen ich etwas mitgeben könnte. Das einzige, was ich ziemlich sicher weiß, ist:
Wir brauchen beseelte und beherzte Sprecher*innen. Menschen, die das Wort ergreifen und dem, was ihnen wichtig ist, Stimme und Klang verleihen. Jetzt und in Zukunft.
Schon die Worte in deinem Blog-Artikel haben mich ganz „reingezogen“. Da bekomme ich sofort Lust, selbst Sprechtraining zu nehmen. Ich finde es so faszinierend, wieviel das Sprechen und die Wirkung mit dem eigenen Innen und den eigenen Gefühlen zu tun hat.
Ich habe mal Stimmtraining gemacht, das war so richtig langweilig und technisch. Dein Blog-Artikel wirkt so, als ob es bei dir ganz anders ist. 🙂
Liebe Petra,
wie cool, dass du Lust auf Sprechtraining bekommen hast! Ja, ich mag das auch sehr, den Verbindungen zwischen innen und außen nachzuspüren im Training. Technisches Training kann auch schön sein, wenn es gut gemacht ist und dem entspricht, was Du brauchst und Dir wünschst. Aber auf Dauer kann man die Technik nicht vom restlichen Menschen isolieren. Sprechen ist einfach etwas, das man als ganzer Mensch tut 🙂
Leider biete ich im Moment noch kein Online-Training an. Aber vielleicht gibt es demnächst einen Online-Workshop! Würde dich das interessieren?
Was du machst, klingt übrigens auch total spannend! Da habe ich gleich Lust bekommen, mich auf deinem Blog umzuschauen, obwohl ich im Moment (leider) kein Tier um mich habe.
Viele liebe Grüße, und vielleicht bis bald
Paula
Liebe Paula, voller Interesse habe ich deinen von dir beseelten Blogartikel gelesen. Den Beruf der Lehrerin hatte ich damals auch abgewählt. Vor allem, weil ich als Schülerin erlebt hatte, wie Lehrer unter den Angriffen der (gelangweilten und unterdrückten) Kinder leiden. Deine Expertise wäre für die Frauen, die ich begleite sehr interessant. Denn ihnen fehlt oft der Mut und die Kraft ihren Mitmenschen gegenüber auszudrücken, was sie verletzt und was sie sich wünschen. Ich melde mich bei dir :). Liebe Grüße, Gudrun
Liebe Gudrun,
vielen Dank für dein schönes Feedback.
Die Seite der Lehrer*innen habe ich damals noch nicht so gesehen. Heute bin ich mit einem verheiratet und habe Freund*innen in diesem Beruf. Dadurch bekomme ich zumindest ein bisschen was mit, und sehe, wie schwierig es sein kann, die Bedürfnisse von 30 jungen Menschen mit den Anforderungen des Systems und dem, was einem selbst gut tut, zusammenzubringen.
Ich habe deine E-Mail bekommen und freue mich sehr darüber! Du bekommst gleich eine Antwort von mir 🙂
Liebe Grüße
Paula
Liebe Paula Marie das ist ein wunderbarer und Informativer Blogbeitrag.
Mit Spannung habe ich deine Ausschmückungen verfolgt.
Da bin ich mittendrin und fühle beim Lesen mit. Ich bewundere deine Wortwahl und die emotionalen Anstupser. Ich denke du kannst das nicht nur beim Sprechen, sondern auch beim Schreiben verdammt gut.
Herzlichen Glückwunsch für den gelungenen Blogartikel.
Herzliche Grüße von Anita. ❤️🙋🏼♀️
Liebe Anita,
ich danke dir für das wunderbare Feedback! Wie schön ❤️
Alles Liebe
Paula