Über das Wetter zu reden, hat einen schlechten Ruf. Viele sehen es als typisches Smalltalk-Thema an, als Notlösung, wenn einem gar nichts anderes mehr einfällt.
Dabei kann das Wetter so „deep“ sein. Ich persönlich mag es sehr, die verschiedenen Wetterlagen mit ihren Stimmungen und Besonderheiten zu beobachten, und ich rede auch gerne darüber. Warum? Das erzähle ich Dir in diesem Artikel.
Irland: Wechselhaft und überraschend
Über das Wetter zu reden, ist nicht überall so verpönt wie bei uns. In Irland wurde ich als Reisende, wenn ich irgendwo ankam, als erstes gefragt:
Und, wie war das Wetter auf Deiner Fahrt?
Bist Du aus … gekommen? Wie war das Wetter dort?
Diese Fragen klangen kein bisschen gelangweilt, im Gegenteil: ich konnte die Neugier dahinter spüren. Es hat die Leute wirklich interessiert und die Antworten wurden mit Ohs und Ahs quittiert.
Vielleicht hat es damit zu tun, dass das Wetter sich in Irland so oft verändert – alle 15 Minuten, sagt man. Dadurch gibt es immer etwas zu erzählen. Während im eigenen Garten die Sonne scheint, ist es im Nachbarort vielleicht stürmisch und die Reisenden sind unterwegs klitschnass geworden.
Island: Gefährlich und faszinierend
In Island habe ich es ähnlich erlebt. Auch dort kann das Wetter schnell umschlagen, und manchmal nimmt es dramatische Ausmaße an: Hagelschauer im Sommer, Flüsse, die plötzlich anschwellen und eine Straße unpassierbar machen, dichter Nebel. All das kommt vor und kann eine echte Gefahr darstellen.
Gespräche über das Wetter haben deshalb oft einen ernsten Unterton. Gleichzeitig habe ich den Eindruck, dass die Isländer mit Stolz und Faszination über ihr kapriziöses Wetter sprechen. Es ist eine Naturgewalt, kraftvoll und unbezwingbar, aber auch beeindruckend schön.
Und da ist noch etwas: der Isländische Sänger Svavar Knútur erzählte mal auf einem Konzert, dass Isländer das Wetter als bildhafte Sprache für ihre Gefühle verwenden:
„In Iceland, when we talk about our feelings, it´s always the weather and the ocean. That´s our feelings!“
Auf Deutsch: „Wenn wir in Island über unsere Gefühle sprechen, dann ist das immer das Wetter, und das Meer. Das SIND unsere Gefühle.“
Deutschland: Beschwerden über das Wetter
Auch im Deutschen gibt es Ausdrücke, die Wetter und Gefühl in einen Zusammenhang bringen: „trübsinnig“ oder „düstere Stimmung“, eine „stürmische Begrüßung“, jemand ist „heiter“ oder „ein Sonnenschein“.
Aber wenn wir so im Gespräch über das Wetter reden, dann ist es oft ein gemeinsames Klagen:
So ein schlechter Sommer, immer regnet es nur.
Mir ist zu heiß, es könnte mal wieder regnen.
Immer diese schwüle Hitze, ich wäre jetzt lieber in Italien, da ist die Hitze trocken.
Ich habe dann den Eindruck, dass das Wetter es gar nicht richtig machen kann. Irgendwas gibt es immer, worüber geklagt wird. Was mir dabei fehlt: Faszination, genaue Beobachtung und Gefühl.
Was das Wetter mit uns macht
Denn das Wetter kann beeindruckend sein. Es erzeugt Kontraste und feine Nuancen. Es beeinflusst das Licht, die Gerüche, die Stimmung – um uns herum und in unserem Inneren. Es erzeugt Gefühle und weckt Erinnerungen:
- Das Geräusch von Regen, der auf ein Dach oder Fenster prasselt und die Gemütlichkeit, die sich drinnen ausbreitet. Das erinnert mich an meine Studienzeit, als ich in einem klitzekleinen Zimmer unter dem Dach wohnte und bei Regen, unter dem schrägen Dachfenster, mit einer Kanne Tee, an meinen Übersetzungen saß.
- Das Donnergrollen, die Blitze und den prasselnden Regen in einem Gewitter finde ich wahnsinnig spannend. Ich werde dann hellwach und möchte ganz nah dran sein. Andererseits spüre ich die Gefahr, die davon ausgeht. Das macht es erst recht aufregend.
- Und wenn der Regen vorbei ist? Wenn es draußen ruhig wird und das Regenwasser sanft von den Blättern tropft? Der Geruch nach feuchter Erde, der dann in der Luft liegt? Das finde ich toll. Ich fühle mich dann ganz verbunden mit meiner Umgebung und würde am liebsten anfangen, in der Erde zu graben. Ein starkes Sommergefühl.
Du siehst, worauf ich hinauswill, oder? Diese Wetterlagen lösen etwas in mir aus. Sie bringen mich in den Moment, ins Erleben, und ich mag es, die feinen Veränderungen im Lauf der Jahreszeiten zu beobachten.
Das Wetter ist tiefgründig!
Wenn wir über diese Empfindungen reden, sind wir nicht mehr im Small Talk, sondern im Deep Talk.
- In welcher Wetterlage, welcher Jahreszeit fühlst Du Dich am wohlsten?
- Was magst Du daran?
- Was machst Du dann am liebsten?
- An welche schönen Momente erinnerst Du Dich?
Solche Gespräche interessieren mich. Sie verraten viel über die Person.
Deshalb möchte ich gerne öfter, tiefgründiger über das Wetter reden. Über die feinen Veränderungen, die es im Innen und Außen bewirkt und die Wünsche, die es in uns weckt.
Machst Du mit?
Wow, mal ein ganz neuer Blick auf Gespräche übers Wetter. Ganz ehrlich? Ich rede auch gerne drüber. Und momentan bin ich einfach nur froh, dass es nicht mehr so heiß ist und der Herbst langsam im Anmarsch ist. Ich liebe Herbstwetter, wenn es weder zu kalt, noch zu warm ist. Wenn die Sonne tief steht und die gefärbten Blätter zum Leuchten bringt. Aber auch nebelige Herbsttage können etwas sehr Romantisches und Gemütliches an sich haben.
Liebe Grüße
Mim
Huhu Mim,
danke für Deinen Kommentar! Ist ja toll, dass Du auch gerne über das Wetter redest 😀
Was den Herbst angeht, bin ich ganz bei Dir. Ganz besonders NEBEL. Das weckt immer so ein Abenteuergefühl in mir. Wobei die bunten Blätter in der Herbstsonne natürlich auch nicht zu verachten sind. Da hatte ich sofort ein Bild vor Augen, mit starkem Kontrast zwischen gelb-orange-braunen Blättern und grünem Gras, das im Herbst nochmal kräftig nachwächst, mit Sonne, Tau und dem Geruch von nassem Laub und Eicheln. Und Eichhörnchen beobachten!
Hast Du eine Lieblingsbeschäftigung im Herbst?
Liebe Grüße
Paula