Wirklich zuhören – Herz & Zunge Folge #014

von | Mrz 21, 2023 | Herz & Zunge, Respektvolle Gespräche | 0 Kommentare

Dieser Artikel ist an die 14. Folge des Herz und Zunge Podcasts angelehnt, den ich gemeinsam mit Lena Bodenstedt hoste.

„Wer nicht zuhört, erfährt nicht viel.“ – Das armenische Sprichtwort bringt es auf den Punkt. Lena und ich haben uns im Herz & Zunge Podcast die Frage gestellt, was es bedeutet, wirklich zuzuhören. Hier kannst Du die Folge hören und lesen. Ich habe sie in meinen eigenen Worten für Dich zusammengefasst.

- Herz & Zunge #014 Wirklich zuhören, vom 02. März 2023

Wirklich zuhören – was verstehen wir darunter?

Wirklich zuhören heißt für Lena und für mich, dass wir uns jemandem mit unserer ganzen Aufmerksamkeit zuwenden. Andere Themen, die uns vielleicht gerade beschäftigen, auch eigene Ideen zum Thema, treten dabei in den Hintergrund. Wir lassen die Person aussprechen und gehen später darauf ein, was sie gesagt hat.

Auf diese Weise entsteht ein Raum, in dem eine Person ihre eigenen Gedanken entwickeln kann. Wir mischen uns inhaltlich nicht ein und versuchen auch nicht, sie zu einem bestimmten Ergebnis zu führen. Aber durch das Zuhören zeigen wir: „Ich schätze Dich und möchte hören, was Du denkst. Sprich ruhig weiter.“ Dadurch unterstützen wir sie beim Sprechen und beim Entwickeln der eigenen Gedanken.

Manchmal entsteht dabei Klarheit oder eine neue Idee wird geboren. Diesen Prozess finden Lena und ich ganz besonders spannend. Wir sind als Zeugen dabei, wenn ein neuer Gedanke entsteht!

Das sind nur ein paar der vielen Vorteile des Zuhörens – hier habe ich noch 8 weitere zusammengetragen.

Kann ich beim Zuhören auch selber sprechen? Und wenn ja, wie viel?

In einem Gespräch wechseln wir zwischen Sprechen und Zuhören hin und her. Wir hören zu, knüpfen an und kommen von da auf unsere eigenen Gedanken. Das macht ein angeregtes Gespräch aus und ist von daher vollkommen ok.

Solange Du zuhörst, solltest Du aber darauf achten, bei den Gedanken der sprechenden Person zu bleiben. Folge ihr auf ihrem Weg. Lass sie erzählen und entscheiden, wie es weitergeht.

Durch kurze Reaktionen wie „hmm“, „ach so“, „oh ja“ kannst Du zeigen, dass Du noch dabei bist – diese Dinger heißen auch Zuhörsignale. Du kannst nachfragen, wie etwas genau gemeint ist, und in Deinen eigenen Worten zusammenfassen. Das alles kann Teil des Zuhörens sein, weil es um die Gedanken Deines sprechenden Gegenübers kreist.

Sobald Du zu Deinen eigenen Erfahrungen und Gedanken wechselst, bist Du dann wieder im Sprechen und nicht mehr im Zuhören.

Das Wichtigste: Deine Haltung

Der Kern von dem, was wir wirkliches Zuhören nennen, ist aber keine Regel oder Technik, sondern eine Haltung: Du schätzt Deine Gesprächspartner*innen und bringst ihnen echtes Interesse entgegen. Du willst wissen, was sie zu sagen haben. Das ist das, worauf es wirklich ankommt!

Lena hat dafür ein schönes Beispiel aus ihrem Job: Ihr Kollege interessiert sich sehr für Technik und erzählt auch gerne darüber. Er kommt dann in einen richtigen Strudel, und Lena, die sich überhaupt nicht für Technik interessiert, lässt ihn einfach reden. Sie schätzt und respektiert ihren Kollegen, aber das Thema macht es sehr schwer für sie, wirklich – im Sinne von aufmerksam, zugewandt und interessiert – zuzuhören.

Zuhören braucht Konzentration und emotionale Kapazitäten

Sich einer Gepsrächspartner*in voll und ganz zuzuwenden, braucht übrigens eine Menge Konzentration! Deshalb kennen wir beide auch Momente, in denen wir das nicht schaffen – obwohl Respekt und Interesse eigentlich da sind. Wenn ich zum Beispiel von einem Training nach Hause komme, und mein Mann erzählt mir was, bin ich manchmal noch so beschäftigt, dass ich erst nach ein paar Sätzen merke: Upsi. Ich hab ja gar nicht richtig zugehört!

Lena empfiehlt, das in solchen Situationen offen zu sagen. Zum Beispiel so: „Ich kann Dir gerade noch nicht zuhören, ich brauche erst etwas Zeit zum Ankommen.“ Ich halte das für eine super Strategie, weil es Deinem Gegenüber Klarheit verschafft.

Und manchmal ist es auch wichtig, erst noch etwas loszuwerden. Bevor wir die Folge aufgenommen haben, hatte Lena einen ziemlich aufregenden Arbeitstag, der sie noch beschäftigt hat. Davon hat sie erst mal eine Weile erzählt und ich habe ihr zugehört. Danach war sie dann auch selbst wieder in der Lage, zuzuhören.

Daran siehst Du: Zum Zuhören braucht man Konzentration und die nötige Energie, um sich mental und emotional auf jemand anderen einzulassen. Das funktioniert am besten, wenn man entspannt und bei sich ist, und nicht gerade ein eigenes Problem mit sich herumträgt.

Woran erkenne ich wirkliches Zuhören?

Wirkliches Zuhören erkennt man oft schon von außen, an der Körperhaltung der Beteiligten. Sie wenden sich der sprechenden Person zu, schauen sie an und haben dabei eine leicht gespannte Körperhaltung„gespannt“ passt hier gut, weil man es auch im Sinne von „neugierig“ lesen kann 🙂

Dazu geben die Zuhörer*innen oft Zuhörsignale von sich, wie „hmm“, „ja“, „aha“. Sie reagieren auch mit Gesichtsausdrücken, nicken und ermuntern so zum Weitersprechen.

Was für eine starke Wirkung diese kleinen Gesten haben, zeigt eine Übung, die ich manchmal in meinen Kursen mache:

Zwei Teilnehmende tun sich zusammen, und eine*r von beiden beginnt, von einem Erlebnis zu erzählen. Die*der andere hört aufmerksam zu – mit Blickkontakt, Zuhörsignalen und allem. Dann wechselt die Person, die zuhört, die Haltung: sie hört demostrativ weg, wendet sich ab und hört auch mit den Zuhörsignalen auf.

Danach werden die Rollen noch einmal getauscht, und dann tauschen sich die beiden über ihre Erfahrungen aus. Wie meine Teilnehmer*innen den zweiten Teil beschreiben, den, wo ihnen nicht zugehört wird, finde ich immer sehr spannend. Ich erinnere mich zum Beispiel an folgende Sätze:

  • „Ich konnte nicht mehr weitersprechen. Es ging einfach nicht.“
  • „Es war, als wäre mir die Energie zum Sprechen entzogen worden.“
  • „Ich dachte mir, wozu spreche ich denn überhaupt?“

Da merkt man, wie sehr Sprechen und Zuhören doch aufeinander bezogen sind. Das eine geht nicht ohne das andere!

Richtig gute Zuhörer*innen achten außerdem auch auf den Körperausdruck der Sprechenden. Sie lesen zwischen den Zeilen und reagieren auf Stimmungen und Emotionen, die sie wahrnehmen.

Aktives und empathisches Zuhören

Den Begriff „aktives Zuhören“ hast Du vielleicht schon einmal gehört. Das ist eine Gesprächstechnik, die eigentlich aus der Psychotherapie kommt, und zwar aus dem personenzentrierten Ansatz nach Carl Rogers. Sie hilft aber auch in anderen, nicht-therapeutischen Gesprächen, sicherzustellen, dass man sich richtig versteht und eine Beziehung aufzubauen.

Beim aktiven Zuhören hörst Du erstmal sehr genau zu. Dann gibst Du in eigenen Worten wieder, was Du verstanden hast – dieser Schritt heißt auch „Paraphrasieren“. Zum Schluss fragst Du nach, ob Du das Gesagte richtig verstanden hast. Dieser letzte Schritt ist ganz besonders wichtig. So kann Dein Gegenüber korrigieren oder ergänzen, wenn etwas fehlt, und ihr findet heraus, ob ihr euch tatsächlich verstanden habt.

Eine Weiterentwicklung des aktiven Zuhörens ist das empathische Zuhören. Dabei paraphrasierst Du nicht das, was mit Worten gesagt wurde, sondern die Gefühle und Stimmungen, die sich daraus ergeben, wie es gesagt wurde. Du setzt also Deine Empathie ein.

Das kann zum Beispiel so klingen:

  • „Das hat Dich richtig geärgert, oder?“
  • „Du klingst besorgt, wenn Du davon erzählst. Kann es sein, dass Dich das Thema noch sehr beschäftigt?“
  • „Du bist richtig glücklich darüber, oder?“

Wenn Du die Gefühlslage richtig erfasst, kann das sehr schön sein, weil sich Dein Gegenüber verstanden und gesehen fühlt. Wenn nicht, kann er*sie korrigieren – deshalb ist auch hier wieder die Rückfrage wichtig.

Aber Vorsicht: manche Emotionen möchte man vielleicht für sich behalten. Vor allem schwierige Emotionen, wie Scham oder Ängste solltest Du nur ansprechen, wenn eure Beziehung und die Situation sehr vertrauensvoll sind.

Wie kriege ich das Zuhören mit meinen eigenen Gedanken zum Thema unter einen Hut?

Bevor wir die Folge aufgenommen haben, habe ich mich mit einer Freundin drüber unterhalten. Sie erzhälte mir, dass sie in Gesprächen oft sehr interessiert ist und schon beim Zuhören viele eigene Gedanken zum Thema hat, sie sie gerne teilen möchte. Eigentlich möchte sie nicht unterbrechen, aber dann fällt es ihr doch schwer, die eigenen Gedanken zurückzuhalten.

Lena und ich kennen dieses Gefühl gut, und wir haben ein paar Ideen dazu entwickelt:

Lenas Fußnoten-Technik und Paulas Aufschreib-Technik

Lena hat mit einer Freundin zusammen eine Methode für solche Situationen entwickelt. Sie funktioniert aber nur, wenn man sich vorher darauf geeinigt hat. Wenn die Freundin erzählt und Lena kommt ein Gedanken dazu, sagt sie „Fußnote“. Nur dieses eine Wort. Das ist für beide das Signal, dass es zu diesem Thema noch etwas zu sagen gibt. Die Freundin erzählt dann erstmal weiter, und später, wenn sie fertig ist, kommen sie auf die Fußnote zurück, zu der Lena sich ein Stichwort gemerkt hat.

Das funktioniert für die beiden richtig gut – bei drei Fußnoten kommen sie allerdings an die Grenzen ihrer Merk-Kapazitäten 😉

Was Du daraus mitnehmen kannst, auch für Gespräche, in denen ihr noch keine Fußnoten-Technik vereinbart habt: merke Dir zu Deinem Gedanken ein Stichwort und komme darauf zurück, wenn Deine Gesprächspartner*in mit ihrem Gedanken fertig ist.

Wenn ich kann, schreibe ich mir dieses Stichwort auch gerne auf – das geht natürlich nicht in jedem Gespräch. Aber wenn ich sowieso gerade etwas zu Schreiben vor mir habe, ist das eine gute Möglichkeit. In Meetings ist das bei mir zum Beispiel fast immer so. Wenn das Stichwort auf dem Papier steht, muss ich es mir nämlich nicht merken und kann meine ganze Konzentration zum Zuhören verwenden.

Zuhören als Übung im Loslassen

Manchmal mache ich aus dem Zuhören auch eine Art Achtsamkeitsübung. Die Gedanken, die beim Zuhören auftauchen, nehme ich wahr und lasse sie dann wieder los. Ich vertraue darauf, dass sie mir an der passenden Stelle wieder einfallen, wenn sie wirklich wichtig sind.

Diese Technik hilft mir, im Gespräch eine Balance zu finden. Denn ich finde, dass nicht jeder einzelne meiner Gedanken in das Gespräch einfließen muss. Dann müsste ich meine Gesprächspartner*innen nämlich andauernd unterbrechen.

Ich stelle mir das Gespräch wie einen Weg vor, den man gemeinsam geht. Auf dem Weg gibt es Abzweigungen, und jeder Gedanke, der mir beim Zuhören kommt, ist so eine mögliche Abzweigung. Wenn ich ihn ausspreche, biegen wir ab. Wenn nicht, gehen wir weiter auf dem Weg, den meine Gesprächpartner*in ausgesucht hat. Und mit jedem neuen Gedanken kommt wieder eine Abzweigung, und noch eine, und noch eine. Irgendwann, wenn es besonders gut passt, entscheide ich mich dann vielleicht, abzubiegen.

Zuhören ist übrigens eine stille Stärke – etwas, was viele Introvertierte ganz besonders gut können. Du siehst bestimmt schon, warum, oder? 🙂

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Wir versuchen, unser Gespräch zu entschleunigen

Am Ende der Folge machen Lena und ich noch ein kleines Experiment. Wir beschließen, uns fünf Minuten lang nicht zu unterbrechen, Wenn wir etwas sagen wollen, warten wir, bis die andere ausgeredet hat, und lassen dann noch so 2-3 Sekunden vergehen. Es gibt also nach jedem Redebeitrag eine kleine Pause.

Diese Beobachtungen haben wir in den fünf Minuten gemacht:

Lena fand es erleichternd, ganz genau zu wissen, dass sie nicht unterbrochen wird. Andererseits hat es sie nervös gemacht, dass sie selbst nicht unterbrechen durfte. Sie hatte Sorge, dass sie ihren Gedanken nicht mehr anbringen konnte.

Das mit dem Nicht-Unterbrechen hat sie sehr ernst genommen: sie hat sogar auf die Zuhörsignale verzichtet. Das fand sie gar nicht so einfach.

Ich habe erstmal vergessen, dass ich nicht unterbrechen darf 🙂 Dann habe ich mich aber daran erinnert, weil Lena so still war. Diese Stille, wenn ich selber gesprochen habe, hat mich sogar richtig irritiert, sodass mir das Sprechen schwer fiel.

Wir fanden es spannend, das noch einmal selber auszuprobieren. Ich hatte eigentlich erwartet, dass ich es angenehm entspannend finden würde, wenn wir uns ausreden lassen und etwas Tempo rausnehmen. So war es den Teilnehmenden in meinen Seminaren nämlich oft bei der Übung gegangen. Stattdessen habe ich gespürt, wie wichtig die Zuhörsignale für mich sind.

Wenn Du Lust auf ein gemeinsames Experiment mit einer Freund*in hast, probiere es gerne mal aus. Ich bin gespannt, welche Erfahrungen Du dabei machst!

Auch sonst freue ich mich sehr, wenn Du mir Deine Gedanken zum Thema Zuhören als Kommentar hierlässt. Und wenn Du unsere Arbeit am Podcast unterstützen möchtest, kannst Du uns neuerdings sogar einen Kaffee ausgeben.

Bis bald
Deine Paula

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